Der Film zu Håkan Nessers “Mensch ohne Hund“ ist heute mit einem großartigen Sylvester Groth in der ARD zu sehen

Während es im Buch schneit, scheint im Film die Sonne. Eiskalt ist es, an dem Tag im Dezember, als in Håkan Nessers Kriminalroman "Mensch ohne Hund" zwei Männer verschwinden. In der gleichnamigen Verfilmung des Stoffes hingegen steht eine milde Mittsommersonne über der schwedischen Kleinstadt, die so lieblich ausschaut mit ihren bunten Holzhäusern, eingebettet zwischen sanften Hügeln, grünen Wäldern und friedlichen Meeresstränden.

Ein Ort des Grauens.

Regisseur Jörg Grünler wuchert in seinem Film mit wunderbaren Impressionen der Schärenlandschaft (ganz anders etwa, als es die Verfilmungen von Mankells Wallander-Romanen machen), und dafür bietet sich der Sommer nun mal an, keine klirrend kalte Winternacht. Doch schon in die ersten idyllischen Sequenzen sind schnelle Schlaglichter geschnitten, die den nahenden Schrecken grell ausleuchten.

Die Nachricht vom Verschwinden der Männer erreicht Inspektor Gunnar Barbarotti (Sylvester Groth), Sohn einer Schwedin und eines Italieners, als er aufbrechen will, um seine geschiedene Frau, deren Eltern und seine beiden Söhne zu besuchen. Kein Termin, zu dem es Barbarotti mit Macht zieht, reine Pflicht, keine Kür. Als dann seine bei ihm weilende Tochter krank wird, sagt Barbarotti frohen Herzens die Reise ab und stürzt sich in den Fall - um in einer desaströsen familiären Welt zu landen.

Während einer Familienfeier der Hermanssons zum 65. Geburtstag des Vaters (Vadim Glowna), ein Patriarch alten Schlags, sind in der Nacht Sohn Walter und Enkel Hendrik spurlos verschwunden. Als Barbarotti das Haus betritt, empfängt ihn eine beklemmende Atmosphäre. Niemand scheint etwas zu wissen, wortkarg und verängstigt ist die Familie, ein dunkles Schweigen lastet auf diesen Menschen, die wie hinter einer rissigen Fassaden zu leben scheinen. Allen steht die Lüge ins Gesicht geschrieben.

Nach und nach erfahren Barbarotti und seine Kollegin Eva Backman (Nina Kronjäger) Details aus diesem stummen Kosmos. Hendrik war offenbar schwul, was nur sein Bruder wusste, und Walter hat Schimpf und Schande über die Familie gebracht, als er sich in einer Art TV-Dschungelcamp beim Onanieren filmen ließ. Der Spitzname Wichs-Walter, den er daraufhin verpasst bekommt, ist wenig Image fördernd. Walter jedenfalls ist in besagter Nacht offenbar zu einer Jugendfreundin aufgebrochen. Wochen später wird er gefunden, auf grausige Weise zerstückelt, von Hendrik fehlt jede Spur.

"Wir bewegen uns in einem visionären Ort auf einem unbekannten Kontinent", fasst Barbarotti den Stand der Ermittlungen zusammen, als er und seine Kollegen wieder einmal in einer Sackgasse gelandet sind. Und: "Ich bin ein kleiner jämmerlicher Polizist."

Ein wenig Larmoyanz umweht die Figur des Barbarotti, die Sylvester Groth (der Goebbels in Dani Levys "Mein Führer" und in Quentin Tarantinos "Inglourious Basterds") großartig verkörpert. Ein zerzauster Typ, strubbelig die Haare, nach vier Jahren noch immer unter der Scheidung von seiner Frau leidend, doch kein ewiger Grübler wie Wallander, sondern mit schrägem Humor ausgestattet und dem Genuss durchaus zugewandt: Bevor die Arbeit weitergeht, genehmigt er sich mit Kollegin Eva erst mal ein kühles Bier. Allein Sylvester Groth und Nina Kronjäger machen diesen Film sehenswert.

Am Ende, natürlich, ist der Fall aufgeklärt, durch Zufälle und glückliche Fügungen, was so recht passt zu diesem sympathischen Gunnar Barbarotti.

Die schwedische Holzhausidylle aber ist schwer beschädigt.

Mensch ohne Hund ARD, Do, 20.15 Uhr