Die Altonale gab die Devise “Literatur ahoi!“ aus. Jörg-Uwe Albig, Kathrin Röggla, Katrin Seddig und Moritz Rinke gingen mit an Bord der MS “Commodore“

Hamburg. Es hatte nach gefühlten zehn Monaten Winterstarre zuletzt fast schon etwas Mutiges, in Hamburg eine Lesung auf einem Schiff zu planen. Doch die Macher der Altonale haben Glück. Das Sonnendeck der MS "Commodore" füllt sich am Sonntag zur Rundfahrt "Literatur ahoi!".

Nach einigen Problemen mit der Technik blinzelt der Berliner Autor Jörg-Uwe Albig tapfer ins Gegenlicht. Schweißperlen benetzen seine Stirn. Die Lesung beruht auf einer Idee seines Verlegers, also Augen auf und durch. "Ich muss hier seitlich auf die Blätter schauen. Das wird jetzt eine Schielangelegenheit", sagt er. Plötzlich Panik beim Kapitän. "Da kommen zwei Fähren. Ich muss hier weg!" Elbabwärts tuckert die MS "Commodore" in Richtung Blankenese. Die Passagen über den Werbefilmer Ai und seine unglückliche Liebe Olympia plätschern in Albigs Zukunftsroman "Berlin Palace" dahin, wie die Segelboote links und rechts der MS "Commodore". Ob ihr Romanpersonal, all die Trinker und Verkommenen, echt sei, will Gerhard Fiedler, künstlerischer Leiter der Altonale, später von Katrin Seddig wissen. "Zumindest fühlen sie sich echt an", sagt die Hamburger Autorin. Mit viel Lakonie in der Stimme trägt sie Passagen aus ihrem Debütroman "Runterkommen" vor. "Tritt ein und bring Glück herein", steht an der Tür einer ihrer Protagonistinnen. "Kommt aber keiner." Respekt für soviel gekonnten Minimalismus.

Die Besucher der späteren zweiten "Literatur ahoi!"-Fahrt haben etwas weniger Glück. Eine Sturmwarnung schickt sie ins muffige Innere des Schiffsbauches. Während am Fenster das Panorama der Hafenindustrieanlagen vorbeizieht, lauschen sie der in Berlin lebenden Österreicherin Kathrin Röggla, die Prosa aus ihrem experimentell mit viel Konjunktiven ausgestatteten, für Zuhörer eher sperrigen Band "Die Alarmbereiten" vorträgt. Da passt es gut, dass Moritz Rinke mit seinem Roman "Der Mann, der durch das Jahrhundert fiel" später für Lacher sorgt. Die lebensnahen Erfahrungen eines Berliner Galeristen, den seine Kindheit im Teufelsmoor- und Künstlerdorf Worpswede einholt, sind gespickt mit putzigen Anekdoten, in denen ein Dorfbewohner Liebesbriefe vom Trecker herab auf Feldarbeiterinnen streut. "Ich gelte in meiner Heimat als Nestbeschmutzer", sagt Rinke und grinst. "Meine Familie erledigt ihre Einkäufe jetzt immer ganz früh." Bewegende Literatur auf bewegter Elbe. Das passt.