Im Kunstverein zeigen Fotografien von Tobias Zielony Jugendliche an urbanen Rändern

Kunstverein. In diesen Fotos ist der amerikanische Traum ganz weit weg. Zerplatzt. Leergesichtige Jugendliche lungern vor einem Wüstenpanorama. Starren fahl zu Boden. Früher stand hier in Trona eine Chemiefabrik. Seit sie geschlossen ist, warten die Bewohner, dass etwas geschieht. Und während sie warten - passiert fast nichts. Es sind diese ausfransenden Grenzbereiche der großen Städte in aller Welt, die Tobias Zielony faszinieren.

Mit Vorliebe lichtet der Berliner Fotograf Jugendliche in trostloser Architektur ab. In Parkhäusern, Hauseingängen oder an Straßenkreuzungen, die nichts als den Charme unmenschlichen Asphalts verströmen. Zielony findet sie überall, in Marseille, Bristol oder Halle Neustadt. Zwei dieser Serien sind bis zum 4. Juli im Kunstverein in der Ausstellung "Story/No Story" zu sehen.

In der Trona-Serie steht eine Familie auf der Veranda ihres baufälligen Holzhauses. Die Gesichter erzählen von Langeweile, Überdruss, existenzieller Ungewissheit. Alle halten Zigaretten in der Hand. Die Mutter trägt ein T-Shirt mit der Aufschrift "No Photographs please" und versteckt ihre Hände. Die Architektur des Ortes ist nicht zufälliger Schauplatz für die Bilder, sondern prägendes Element. "Das sind Orte, wo wir nicht hingehen. Randphänomene, die aber mit unserer Lebenssituation zu tun haben", sagt Kunstvereinsdirektor Florian Waldvogel.

Der Reiz von Zielonys Bildern besteht darin, dass sie sich auf dem schmalen Grat zwischen Dokumentation und Inszenierung bewegen. Er selbst nennt es "Die Beiläufigkeit des Sozialen". Zum Einsatz kommen ausschließlich natürliche Lichtquellen. Nachts greift Zielony auf den Schein von Straßenlaternen oder Autoscheinwerfern zurück. "In der Regel lebt er lange mit den Leuten, zeigt sie so, wie sie sind, und nicht, wie sie sich gerne hätten." In sehr verschlossene Milieus, wie die Außenbezirke von Paris, sichert sich Zielony den Zugang über Sozialarbeiter. Um 1970 den aus 7000 Einzelaufnahmen zusammengesetzten Kurzfilm "Le Vele di Scampia" in einer futuristischen Wohnsiedlung Neapels drehen zu können, musste er die Mafia bestechen. Alle fünf Minuten verdunkelt sich der Ausstellungsraum für die sehenswerte neunminütige Filmvorführung.

Tag und Nacht wechseln. Auch von einer Bildserie zur nächsten. Nachtaufnahmen zeigen Heranwachsende in Venice Beach, einem Stadtteil in Los Angeles, vor dem Reiseführer Touristen durchaus auch warnen. Die Serie zeigt einen Hubschrauber mit Suchscheinwerfer, junge Männer in austauschbarer Kapuzenkluft. Und wieder leere Gesichter. "Zielony zeigt die Ohnmacht und Hilflosigkeit, aber es gelingt ihm auch, den Menschen eine Schönheit zu geben", sagt Waldvogel. "Das hat beinahe etwas von Bertolt Brecht."

Tobias Zielony: "Story/No Story" bis 4.7., Der Kunstverein, seit 1817 (U Steinstraße), Klosterwall 23, Di-So 12.00-18.00, Eintritt 3,-/erm. 1,50; www.kunstverein.de