Hamburg. Kein Popstar dieser Welt würde sich mitten im Konzert an den Bühnenrand stellen und nur von seinem Kontrabassisten begleitet einen Jazzstandard singen. Jamie Cullum tut das und entzündete am Donnerstag in der Hamburger Laeiszhalle nicht nur damit einen Feuersturm der Begeisterung. Seit Ray Charles hat man so ein Organ nicht mehr gehört, das mit wenig Technik und viel Elan raspelt und röhrt, gurrt und betört.

Am Klavier greift der 31-jährige Brite auch mal daneben, solistisch reicht's eher für genialische kleine Einwürfe als für den großen Bogen, aber die rhythmische Präsenz ist atemberaubend. Wie Little Richard jagt der kleine Brite als Tastenteufelchen über Bühne und Klavier, ein Knuddeljunge, der macht, wozu er Lust hat; und das funktioniert auch noch. Cullums erste CD kostete ihn noch 600 Pfund, die zweite brachte ihm deren 1000, für die dritte erhielt er bereits einen Millionenvertrag.

Seit 2004 ist mit steigendem Erfolg aus dem lauten Jazzer ein jazziger Lauter des Pop geworden. Seine Stücke beginnt er häufig mit einer griffigen Ostinatofigur, packt ein geklautes, Verzeihung, adaptiertes Riff aus einer ganz anderen Musikrichtung dazu, ein Versatzteilhändler, der es versteht, all die Zutaten von Cole Porter bis Potishead zusammenzubringen. Jamie Cullum pinkelt einer ästhetisierenden Jazzwelt ebenso auf den Teppich des kultivierten Klavieranschlags, wie er auf einer Jazzbandtour durch Heavy-Metal-Clubs verstörte Rocker betörte.

Mit einer Klasseband von Multiinstrumentalisten kann es sich der Jazzkeller-Cullum leisten, in der Belle Etage der Konzerthallen Dosenbier ins Schampusglas zu kippen und auf den Sitzreihen im Publikum balancierend einen Jazztitel mikrolos zu röhren.

Zum Glück für Lena haben die Briten nicht Cullum nach Oslo zum Songcontest geschickt!