Das Punkrock-Ensemble Gogol Bordello legte einen ekstatischen Auftritt ohne Atempause hin - und glich dabei einer Piratenbande.

Hamburg. Mit ihren etwas abgerissenen Klamotten wirken sie wie eine Bande Freibeuter. Gogol Bordello und ihr schnauzbärtiger Anführer Eugene Hütz entern jedoch keine mit Gold beladenen Galeonen, sondern die Rockbühnen der Welt zwischen Glastonbury, Großbritanniens größtem Festival, und den kleinen verranzten Live-Schuppen an der New Yorker East Side. Dort hat die Karriere des Zigeuner-Punkrock-Ensembles begonnen, seitdem verwandelt es jeden Klub in ein Tollhaus.

Das ist im fast ausverkauften Docks nicht anders. Kaum sind die sieben Musiker auf die Bühne gestürmt, überträgt sich ihre explosive Energie auf das Auditorium. Das hat nur auf die ultraschnellen Riffs von Geiger Sergej Rjabtzev und Akkordeonspieler Yuri Lemeshev gewartet, um kollektiv auszuflippen. Eine Masse von ausgestreckten Armen schlägt den Takt mit, die Füße kommen angesichts des Höllentempos kaum hinterher. Eugene Hütz schrubbt derweil seine akustische Gitarre, brüllt in seinem gutturalen Englisch kaum verständliche Texte ins Mikrofon und gebärdet sich dabei so hyperaktiv wie ein außer Kontrolle geratenes Aufziehmännchen.

Atempausen gibt es in den nächsten knapp eineinhalb Stunden nicht. So mancher Fan schleppt sich nach einer halben Stunde bereits erschöpft und schweißtriefend Richtung Theke. Diesen Hochenergie-Punk hält nur durch, wer fit ist wie ein Triathlet. Die sieben Musiker plus Tänzerin Chi-Wei Sun kreuzen in ihren Songs russische Tänze mit knüppelhartem Rock und Roots-Musik aus dem Schmelztiegel New York.

Die wilden Balkan-Beats der Sinti und Roma hat Hütz bereits 1986 in Rumänien kennengelernt, wohin er mit seiner Familie nach dem Reaktorunglück von Tschernobyl emigrierte. Jedes Volk hat seine Gute-Laune-Musik, der 1972 in Kiew geborene Sänger saugt sie auf und spuckt sie - einmal durch den Wolf gedreht - wieder aus. Gogol Bordellos Konzerte sind Karneval, Fiesta, Party mit dem dazugehörigen Alkoholpegel. Der spiddelige Frontmann, inzwischen seines Hemdes entledigt, trinkt auf der Bühne Rotwein aus der Flasche, die Tresenkräfte haben alle Hände voll zu tun, um den Bierdurst der Fans zu stillen.

Mitverantwortlich für den rundum gelungenen Konzertabend ist auch die Vorband Mariachi El Bronx. Das Septett aus Los Angeles spielt einen Mix aus Hardcore-Rock und mexikanischer Folklore, wobei das tänzerische Element überwiegt. Nicht ganz so ekstatisch und rebellisch wie Gogol Bordello, aber ein ideales Aufwärmprogramm für Eugene Hütz' irrwitzige Piratenbande. Das Docks gekapert, Totenkopfflagge gehisst und das nächste Klubschiff ins Visier genommen. (oeh)