Einschüchtern lässt er sich nicht mehr. Der Schriftsteller Liao Yiwu, 52, hat die Hölle von vier Jahren in chinesischen Gefängnissen hinter sich, voller Demütigungen und Gewalt - zweimal wollte er sich umbringen. Er ist als politischer Krimineller gebrandmarkt und wird in seinem Heimatland totgeschwiegen. "Ich versuche nach und nach die Furcht zu überwinden, die man mir eingepflanzt hat", sagt er.

Als kleines Kind überlebte er knapp die Hungersnot, die nach Maos missglücktem "Großen Sprung nach vorn" Millionen Menschenleben kostete. Sein Vater wurde 1966 während der Kulturrevolution angeklagt. Nach der Schule reiste er durch das Land, schlug sich als Lkw-Fahrer und Koch durch - und begann zu dichten. Als seine vier Lehrmeister nennt er: Hunger, Schande, Obdachlosigkeit und Gefängnis. Liao gehörte in den 80ern zu den bekanntesten jungen Lyrikern der Untergrundszene. 1989 schrieb er ein Gedicht über das Massaker auf dem Tiananmen-Platz. 1990 wurde er deswegen verhaftet und zu vier Jahren Gefängnis verurteilt. Seine Frau hat ihn danach mit dem gemeinsamen Kind verlassen.

Liao schreibt trotzdem. Essays, Bücher, Gedichte. Er erhebt unerschrocken seine Stimme, wo immer es geht, er klagte gegen Chinas Regierung wegen Verletzung seiner Menschenrechte. Heute lesen nicht nur in Hamburg (18 Uhr, Axel-Springer-Passage), sondern in vielen Städten der Welt Menschen aus seinen Werken, um an sein Schicksal zu erinnern.