Nach den rasanten Romanen des britischen Bestsellerautors David Peace haben drei Regisseure die “Red Riding Trilogy“ verfilmt

Nicht ganz einfach, hier den Durchblick zu bewahren. Der anhaltende Regen legt sich wie eine Dunstglocke über Yorkshire. Der Zigarettenrauch wabert in dichten Schwaden durch die Pubs, die Büros, die Gefängniszellen. Und die Menschen, denen wir begegnen, sind manchmal nicht von dieser Welt. Geistererscheinungen, gekommen, um die Überlebenden umzutreiben.

Die "Red Riding Trilogy" beruht auf den rasanten Krimis des britischen Autors David Peace. Sie sind angesiedelt im England der später 70er- und frühen 80er-Jahre und schlicht mit Jahreszahlen betitelt: 1974, 1980 und 1983. Der vierte Teil, 1977, fiel dabei finanziellen Erwägungen zum Opfer.

Was schon Peace meisterhaft gelang und die Regisseure der Trilogie (James Marsh, Julian Jarrold und Anand Tucker) auf den Bildschirm hinübergerettet haben, ist die Beschwörung eines finsteren Sittengemäldes. Gewalt, Rassismus und Korruption prägen die Atmosphäre. Es ist die Blütezeit seelischer und moralischer Verrohung. Die Albtraumwerdung einer ganzen Gesellschaft. Schulmädchen verschwinden, Prostituierte werden verstümmelt aufgefunden, und eine Handvoll einsamer Kämpfer - ein Journalist, ein Polizist und ein Anwalt - versucht dem Einhalt zu gebieten. Vergeblich.

Die drei Filme funktionieren als faszinierende Miniserie ebenso wie als Einzelstücke - in diesem Fall allerdings ohne die sogartige Kraft. Trotz unterschiedlicher Protagonisten (und Regisseure) gleichen sie sich in ihrem atemlosen Ton, den surrealen Elementen und der erzählerischen Komplexität. Einen Hang zum Kaputten, Morbiden und einen Sinn für das Melancholische zeichnet die Inszenierungen aus. Die Kamera bleibt immer nah an den Helden, die angetreten sind, die Mauer des Schweigens zu durchbrechen, die sich rund um die bestialischen Morde des berüchtigten "Yorkshire Rippers" aufgetürmt hat.

Aber dies ist kein Platz für unliebsame Fragen, das wird sehr schnell deutlich. Hier prostet man sich mit dem Trinkspruch zu: "Auf den Norden. Wo wir die Dinge auf unsere Weise regeln." Vereinfacht bedeutet es: Wer zahlt, bestimmt auch die Regeln.

So nimmt es denn auch kein gutes Ende mit den Hauptfiguren. Nicht mit Eddie Dunford (Andrew Garfield), dem Gerichtsreporter, der sich in die Mutter eines getöteten Mädchens verliebt. Nicht mit dem qualifizierten Polizisten Peter Hunter von außerhalb (Paddy Considine), dessen Haus in Flammen aufgeht. Und dass der Anwalt am Ende des dritten Teils das verschwundene Mädchen in seine Arme schließt, darf zumindest als schwacher Trost verstanden werden. Der Sumpf aus Raffgier und Missgunst aber, er regiert weiter.

Gefilmt ist die "Red Riding Trilogy" in farbentsättigten Bildern, nur vereinzelte künstliche Lichtquellen brechen das fahle Drumherum auf. Einen wohnlichen Ort sucht man zwischen den Industriebrachen, den rumpeligen Straßen und den von Vorhängen abgeschirmten Reihenhäusern vergebens.

Wer klassische Whodunnits und die stringente Suche nach dem Mörder schätzt, wird hier enttäuscht. Wichtiger als das "Wer" ist das "Wie", entscheidender als die Persönlichkeit der Protagonisten ist das Gefangensein in ihren Obsessionen, sind ihre Verzweiflungsfahrten durch die Finsternis. Was real ist und was Einbildung, wie sich Wahn und Wirklichkeit zueinander verhalten, das behält in der Trilogie eine beunruhigende Unschärfe. Da treffen Vergangenheit und Gegenwart in einer Einstellung aufeinander, ein verschwundenes Mädchen bewegt sich durch die Straßen, als wäre es nicht Opfer eines Verbrechens geworden, sondern auf dem Nachhauseweg von der Schule.

"Einer muss den Job ja machen" - dieser Satz fällt so oder so ähnlich in allen drei Filmen. Die Helden, die so gar nichts Heldenhaftes charakterisiert, haben sich ihren Job nicht ausgesucht; die Fälle kommen in einer Art Schicksalhaftigkeit über sie. Kräfte treiben sie an, die stärker sind als der Verstand: Eitelkeit, Geltungsbedürfnis, aber vor allem: Schuld. Scham, die nicht vergeht, und Schuld, die sich in den Köpfen einnistet, weil sie nicht gesühnt wurde, das sind ohnehin die großen Themen von David Peace. Serienmorde gelten ihm als Phänomene krankhafter Zeiten und zerbrechender Ordnungen. Und seine besessenen Ermittler müssen büßen, was die Gesellschaft angerichtet hat.

Für die Liebe, so viel steht fest, ist kein Platz an diesem unwirtlichen Ort - und wer den Versuch trotzdem wagt, muss mit dem Schmerz leben. Oder mit dem Leben bezahlen. Einer aber springt in der "Red Riding Trilogy" dem Tod von der Schippe. Es sei deshalb, sagt er, damit er diese Geschichte erzähle.

Red Riding Trilogy 3 DVDs, 290 Minuten, ab 16 Jahren, Extras: geschnittene Szenen, Making-of, Interview mit Julian Jarrold