Volksfestival mit Kultur satt ist das Prinzip Altonale

Es bollert immer irgendetwas dumpf, seien es die Boxen neben den Bierbänken, aus denen Radiopop dröhnt, oder das Gelaber der Suffelköppe, die sich an den Rändern eines Straßenfestes unvermeidlich herumdrücken. Es geht um die typischen Geräusche eines Straßenfestes, die bereits aus der Ferne signalisieren, mit was es der unschuldige Stadtgänger zu tun hat, der den Fehler macht, die falsche Route einzuschlagen.

Der plötzlich in einer Veranstaltung von zweifelhaftem Charme landet, wo die örtlichen Läden am Straßenrand einen Abverkauf starten, die hiesigen Vereine Broschüren auslegen, Würstchenbuden fettige Verführungsdüfte in die Luft blasen und, im allerschlimmsten Fall, Blaskapellen einen Leistungsnachweis ablegen. Ein Straßenfest ist eine immer gut gemeinte und meistens falsch verstandene Angelegenheit von lokalem Engagement und nachbarschaftlicher Nähe. Straßenfeste sind nervig, unnötig und bringen die Menschheit kein Stück weiter.

All das gilt für die Altonale nicht. Die Altonale ist nämlich ein kulturelles Ereignis, jawoll. Eine gemeinschaftliche Großtat, deren fader Start als Wir-machen-mal-ein-Straßenfest-Versuch lange her und schon gar nicht mehr wahr ist. 1998 wollte kaum jemand auf die Ottenser Hauptstraße, wo sich ein paar Verkaufsstände um die Wette langweilten. Dann trat das Stadtteil- und Kulturzentrum Motte auf den Plan: Der Anfang war gemacht. Seitdem ist die Sause stetig gewachsen.

Ohne Mittelaltermarkt und Menschen, die Met trinken, geht es wohl nicht

Es sind Altonaer Angelegenheiten, die aufgrund ihrer Überzeugungskraft über die Stadtgrenzen hinaus strahlen. Warum per annum 600 000 und mehr kommen? Weil das Straßenfest-Konzept (oder besser: Straßenfest-"Konzept") dem unbedingten Bekenntnis zur kulturellen Veranstaltung wich. Man muss halt immer jemanden fragen, der sich auskennt; deshalb findet das dreitägige Straßenfest nur noch im Rahmen eines viel größeren Zusammenhangs statt. Zwei Wochen lang läuft das Kulturprogramm. Es drückt die Chose Straßenfest dahin, wo sie hingehört: an die Peripherie, zumindest inhaltlich. Dorthin, wo sie niemandem wehtut und, urplötzlich, eine nette Dreingabe ist, die man sogar vermissen würde, wenn es sie nicht mehr gäbe. Der Mittelaltermarkt muss wohl einfach sein, lassen wir an dieser Stelle das Lästern über in zivilisatorischer Hinsicht regredierende Zeitgenossen, die freiwillig vom 21. ins 15. Jahrhundert reisen, nur um dort Met zu trinken (am besten aus Trinkhörnern). Seltsame Fellträger.

Aber es gibt auf dem Straßenfest (18. bis 20.6.) ja auch den Kunstmarkt, und der führt wenigstens schon mal in die richtige Richtung: Wo im Fall der Altonale Kultur draufsteht, ist auch Kultur drin. Es warten diese Sektionen (und im Folgenden tun wir den Veranstaltern den Gefallen und verwenden die gewünschte Schreibweise): kunst altonale, literatur altonale, altonale spaßparade, theater altonale, film altonale, altonale antik- und flohmarkt.

Das Prinzip Altonale funktioniert deswegen so gut, weil, das erklärt sich von selbst, die Professionalisierung der vergangenen Jahre mit dem kontinuierlichen Wachstum korrespondiert. Ein Festival ist ein Anti-Straßenfest, es ersetzt das Wurschtige durch das Organisierte und die Langeweile durch die Unterhaltung. Voraussetzung für den Erfolg des Altonale-Festivals ist die Bespielung des Raums. Altonale ist überall in Altona, wo Ort und Performance zusammenfinden.

Die Sympathien sind also eindeutig verteilt: Das hier, das ist ein kleines Pamphlet gegen das Volks- und Straßenfest. Und ein Loblied auf das liebevoll zusammengestellte Programm, das einen Kulturplaner nötig macht. Vielleicht sogar eine Respektbekundung für gelungene Stadtentwicklung.

Altonale 12 3.6.-20.6.; Infos: www.altonale.de