Feinsinnig und verhalten dirigiert Jeffrey Tate das 9. Symphoniekonzert der Hamburger Symphoniker mit Werken von Adés, Mozart und Brahms.

Hamburg. Maestro Jeffrey Tate ist auch als Musiker ganz Gentleman: feinsinnig, zurückhaltend und allem spektakulären Gehabe abhold. Durch solche Tugenden gewinnt manche Musik, andere verliert und wieder anderes bleibt Geschmackssache - wie am Sonntag das 9. Abonnementkonzert der Hamburger Symphoniker zeigte.

Thomas Adés "Asyla", mit dem das Konzert begann, ist scheinbar eine Art Soundtrack zum Irrenhausaufenthalt. Ein riesiger Orchesterapparat, blechernes Kuhglockengebimmel, ein verstimmtes Piano und ein großes Arsenal an Schlagwerk und Effektinstrumenten sollen offenbar eine Atmosphäre von Irritation, tiefer Verstörung oder hektischer Überdrehtheit suggerieren. Glaubt man der Legende, kam Adés bei der Komposition dermaßen in Fahrt, dass er mit Verdacht auf Herzinfarkt ins Krankenhaus musste. Doch unter der nüchtern-klinischen Leitung von Dr. med. Tate (der einst als Augenchirurg in London gearbeitet hatte) schwang sich das Orchester nur im dritten Satz "Ecstasio" zu ein wenig Wahnwitz auf.

In Sachen Mozart ist Tate eine Instanz; mit seinem English Chamber Orchestra hat er wunderbare Aufnahmen der Klavierkonzerte und Symphonien vorgelegt. Wenn er also beim Konzert Es-Dur KV 482 auf einen vergleichsweise großen Streicherklang und langsame, zum Teil fast betuliche Tempi setzt, so entspricht das nicht unbedingt der neusten, historisch-informierten Mode, aber er weiß sicher, was er tut. Der Pianist Artur Pizarro fügte sich denn auch mit seinem kultivierten Spiel bruchlos in Tates gediegene Auffassung ein. Fast wie Spielzeug wirkten Mozarts Läufe unter den Händen dieses großen, freundlichen Teddybären. Doch bremsten die beiden Connaisseure die Musik auch so stark aus, dass das finale Allegro streckenweise fast zum Stillstand kam.

Am meisten in ihrem Element waren Dirigent und Orchester bei Brahms' pastoraler Dritter Symphonie. Gerade deren zweiter und dritter Satz sind so verhalten, wie es offenbar Tates Naturell entspricht, und alle Sätze verklingen leise ohne auftrumpfende Geste. Mag sein, dass die Symphoniker noch nicht die "Wunderharfe" sind, um Brahms' Gegenstimmen-Geästel bis ins letzte Detail transparent zu machen und den Klang so erblühen zu lassen, wie es ihrem Chef wohl vorschwebt. Doch die heiklen Passagen für den viel beschäftigten Klarinettisten und den Solo-Hornisten wurden sicher bewältigt. Und so gelang hier trotz noblen Maßhaltens in Tempo und Dynamik ein großer epischer Bogen vom ersten bis zum letzten Satz.