Der Berliner Gropius-Bau zeigt die bisher größte Schau der Mexikanerin

Berlin. Dass ausgerechnet Madonna ein Faible für Frida Kahlo hat, kommt sicher nicht von ungefähr. Es gibt wohl keinen Künstler, der sich sein Leben lang so exzessiv selbst zum Motiv gemacht hat wie die Mexikanerin mit den markanten Augenbrauen. Doch ihr Hang zur Selbstdarstellung resultierte aus einem gravierenden Mangel an Öffentlichkeit: krankheitsbedingt ans Bett gefesselt, hatte sie schlicht nichts als sich selbst. Von 145 Gemälden sind 80 Selbstporträts. Drei Fridas besitzt Madonna, doch nach Berlin ausleihen wollte die Pop-Diva nicht

Alle wollen Frida. Dass es den Ausstellungsmachern im Martin-Gropius-Bau gelungen ist, 150 Gemälde und Zeichnungen der 1954 verstorbenen Künstlerin in einer Retrospektive zu versammeln, dafür müsste das Team so etwas wie das Bundesverdienstkreuz der Kunst bekommen. Umfassende Kahlo-Ausstellungen zu realisieren, ist äußerst schwierig. In Mexiko gilt sie als nationales Kulturerbe, die Ausfuhr der Werke ist unmöglich. Auch deutsche Museen können schlecht weiterhelfen, keine Institution besitzt ein Werk. Man ist auf Privatsammler, die großteils aus Amerika kommen, angewiesen. Sie sind nicht nur wie scheue Rehe, sondern wollen für die Ausleihe Dollars sehen, und nicht gerade wenige. So finanziert das Außenministerium die prominente Schau mit, die Kulturstaatsminister Bernd Neumann gestern Abend eröffnete. Die Mexikaner feiern mit ihrer "Heiligen Frida" ihr 100. Revolutionsjubiläum in Europa.

Frida, wie sie alle nennen, so, als würde man sie persönlich kennen, ist Kult, jede Ausstellung ein Selbstläufer. In Mexiko und den USA ist sie die Königin des musealen Merchandising. Sie brachte es auf Tequilaflaschen und groteskerweise auf Turnschuhe, dabei konnte sie nur schwer laufen.

Weltweit ist die dramatische Lebensgeschichte der Künstlerin, die 1954 mit 47 Jahren starb, bekannt. Der Busunfall, den sie mit 18, der sie ins Korsett zwang und zum Morphium brachte, weil eine Stange ihren Leib durchbohrt hatte, ihre Beziehung mit ihrem froschäugigen Künstler Diego Rivera, der sie sogar mit ihrer Schwester betrog. Ihre amourösen Abenteuer mit Leo Trotzki und dem Kunsthändler Heinz Berggruen. Ein Stoff, geschaffen für Hollywood. Salma Hayek schlüpfte 2002 in die Rolle der charismatischen Mexikanerin.

Doch wie die Berliner Ausstellung zeigt, haben diese Skandälchen auch den Blick auf das Werk verstellt, das vielfältiger und komplexer ist, als vielen wohl bekannt ist. Nicht alle Meisterwerke sind nach Berlin gekommen, aber jene Werke, die die wesentlichen Etappen des Oeuvres transparent machen, sind da, darunter auch das bekannte Selbstporträt "Zerbrochene Säule".

Eine wahre Neuentdeckung sind die Zeichnungen aus der Jacques and Natasha Gelman Collection, die erstmals überhaupt in Europa zu sehen ist, und vielleicht auch diejenigen versöhnen wird, denen die Ikonisierung Frida Kahlos auf die Nerven geht.

Frida bedient viele Rollen - Märtyrerin, Kommunistin, Feministin oder Mater dolorosa, jeder findet in ihr die ideale Projektionsfläche. Ihre Bilder gleichen nicht selten einer gemalten Psychotherapie: ihre Fehlgeburten, ihre Albträume, die grausame Marter ihrer Krankheit, alles findet Eingang in eine pralle Symbolwelt, voll von Rätseln und Mythen, die uns rationale Europäer in eine ganz andere Welt entführen.