John Cheevers “Der Schwimmer“ ist ein Meisterstück

In der berühmten Geschichte "Der Schwimmer", die wohl John Cheevers beste ist, vermischen sich realistische und surrealistische Elemente auf kunstvolle Art. Ein Mann mittleren Alters beschließt, nach Hause zu schwimmen. Die Kette der Wasserbecken ist eine imaginäre. Er reist, während er schwimmt, durch ein Raum-Zeit-Kontinuum. Es sind die Figuren einer heilen, vorstädtischen Welt, in der auch die schönste Frucht faulen kann, auf die Merrill trifft. Er schwimmt und trinkt, ein Gewitter geht herunter, ein Pool bleibt leer. Die Menschen raunen ihm Dinge zu, bemitleiden ihn wegen seines Misserfolgs.

Der Schwimmende hat alles verdrängt: Er gehört schon längst nicht mehr zur Vorstadt-Noblesse, und obwohl er sich jung fühlen will, greift das Alter nach ihm. Bei seiner Heimkehr ist es längst Herbst, sein Haus ist verlassen, Lucinda und die Töchter sind weg. "Der Schwimmer" ist ein Meisterstück, in dem sich alles in allem spiegelt. Handwerklich besser kann man kaum mit Symbolen arbeiten.

Wegen seiner nur vordergründig simpel erzählten Storys gilt Cheever (wie Richard Yates) als Vorbild vieler Starautoren, und wer John Updike liest, den mag an manchen Stellen die literarische Wahrnehmung zwischenmenschlicher Dramen und gesellschaftlicher Probleme an Cheever erinnern.

Cheever, der über viele Jahrzehnte schwerer Alkoholiker war, starb 1982 als gefeierter Autor und Pulitzerpreisträger. Wenn nun der Dumont-Verlag den Kurzgeschichten-Band "Der Schwimmer" in neuer Übersetzung herausbringt, dann liegt er damit richtig.

Erst im vergangenen Jahr erschien in Amerika eine dicke Cheever-Biografie. Die Wiederentdeckung eines großen Autors ist im Gang. Dabei lebt sein Werk von einer doppelten Spannung: derjenigen, die sich aus der Frage nach der Zeitgebundenheit seiner Figuren ergibt, und jener, die deren psychologisches Paradoxon betrifft.

Die Geschichten Cheevers dürfen in ihrer psychologischen Ausarbeitung der Figuren zeitlose Gültigkeit beanspruchen. Trotzdem wirken sie wegen ihres Mobiliars alt. Cheevers Schilderungen sind flüssig, die Bewusstseinsströme der Ich- und Er-Erzähler schieben sich in einer eingebildeten Selbstgewissheit durch die Handlung. Dabei entgleitet den Figuren ihr Leben.

Cheever fürchtete nichts so sehr wie den Verlust seines Platzes in der bürgerlichen Welt, die er in seinen Werken ironisch sezierte. Dass Cheever Zeit seines Lebens von den Dämonen gejagt wurde, die am Eingang zur Bourgeoisie wachen, zeigt seine Story "Clancy im Turm zu Babel", in der ein Fahrstuhlführer sich weigert, einen schwulen Hausbewohner zu befördern. Die Geschichte war nichts anderes als eine Sublimierung von Cheevers eigener latenter Homosexualität.

John Cheever: Der Schwimmer. Stories. Deutsch v. Thomas Gunkel. Dumont Verlag, 348 S., 19,95 Euro.

6. Mai, Literaturhaus: Ein John-Cheever-Abend , 20 Uhr, Schwanenwik 38, 6-10 Euro