Auf Kampnagel geht es heute um Restitution. Der Diskussionstitel “Nichts ist erledigt“ geht aber an der Museumswirklichkeit vorbei

Hamburg. Es geht um Raub im großen Stil, um Diebstahl, Hehlerei, Erpressung. Und es geht darum, ob diese Verbrechen ungesühnt bleiben. Die "NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgüter" - im Bürokratendeutsch jene Kunstwerke, die Menschen jüdischer Herkunft zwischen 1933 und 1945 von den Nationalsozialisten in unglaublichem Ausmaß geraubt wurden, sind für viele Museen noch immer eine schwere Hypothek.

Wie sich die deutschen Museen im letzten Jahrzehnt dazu verhalten haben, ist das Thema einer Diskussion, zu der das Kulturforum heute auf Kampnagel einlädt. Diskutieren werden der frühere Kunsthallendirektor Uwe M. Schneede, die Provenienzforscherinnen Ute Haug und Stephanie Tasch, der langjährige "Art"-Chefredakteur Axel Hecht und Gisela Braun-Fischer, die dieses Thema ganz unmittelbar betrifft. Sie ist die Tochter des Berliner Verlegers Samuel Fischer, dessen Kunstbesitz die Nazis 1940 beschlagnahmt und versteigert hatten. Eines der damals geraubten Bilder, Camille Pissarros "Le Quai Malaquais et l'Institut", erhielt Braun-Fischer nach schwierigen kostspieligen Recherchen 2007 zwar zurück, doch schloss sich schon bald nach der Restitution ein Rechtsstreit mit einem Angehörigen ihrer Familie an.

"Nichts ist erledigt", der Titel der Hamburger Diskussionsrunde über NS-Raubkunst in deutschen Museen ist offenbar bewusst zugespitzt, geht aber an der Wirklichkeit vorbei. Denn die Museen haben sich zwar in der Tat jahrzehntelang kaum für die zweifelhafte Herkunft zahlreicher ihrer Kunstwerke interessiert und waren nach Kräften bemüht, alle Anfragen von Erben zu ignorieren. Aber man wird kaum behaupten können, dass das noch heute so wäre.

Nachdem sich die Bundesrepublik mit der Unterzeichnung der Washingtoner Erklärung verpflichtet hatte, die öffentlichen Sammlungen zu überprüfen und identifizierte Raubkunst an die rechtmäßigen Eigentümer zurückzugeben, setzte sich nach und nach ein Bewusstseinswandel durch. Zunächst sahen sich viele Museen personell und fachlich überfordert, aber spätestens seit 2008 beim Berliner Institut für Museumsforschung die "Arbeitsstelle für Provenienzrecherche und -forschung" eingerichtet wurde, die die Museen fachlich unterstützt, hat sich die Situation deutlich verbessert.

Für den Laien mag es schwer verständlich sein, aber die Provenienz, also die Herkunfts- und Erwerbungsgeschichte vieler Kunstwerke, ist oft schlecht dokumentiert und nur nach aufwendigen Recherchen aufzuklären. Manchmal ist es auch gar nicht möglich.

Doch bevor ein Kunstwerk restituiert werden kann, muss klar sein, ob die Ansprüche berechtigt sind. So hat Ute Haug, die seit 2000 an der Hamburger Kunsthalle als Provenienzforscherin arbeitet, festgestellt, dass Max Liebermanns 1932 entstandenes Ferdinand-Sauerbruch-Porträt nicht aus dem Besitz des bekannten jüdischen Kunstverlegers und Mäzens Gustav Kirstein aus Leipzig stammt, dessen Sammlung die Gestapo konfisziert hatte. Es war vielmehr im Besitz eines anderen Zweigs der Familie, der das Gemälde der Kunsthalle 1947 zum Kauf anbot. Es konnte dann Anfang der 50er-Jahre erworben werden. Die Restitutionsforderung war in diesem Fall unberechtigt.

Anders verhielt es sich bei einem Selbstbildnis des flämischen Malers Cornelis Bega, das 1940 in die Kunsthalle kam. Ute Haug fand Beweise dafür, dass sie aus dem Besitz des jüdischen Amsterdamer Kunsthändlers Jacques Goudstikker stammt, dessen Kunstsammlung Göring hatte konfiszieren lassen. In Goudstikkers Nachlass fand sich ein Notizbuch, in dem er die Werke seiner Sammlung eindeutig identifizierbar registriert hatte. "Auf dem Bega-Bild fand ich ein Etikett, das ein anderes verdeckte. Ich ließ das obere ablösen und entdeckte darunter eine Nummer, die sich mit den Angaben in Goudstikkers Notizbuch deckte", erzählt Ute Haug, deren Recherche dazu führte, dass die Kunsthalle Goudstikkers Erben das Bild übergab. Das war nur ein Einzelfall, aber - wenn auch ein später Sieg - doch ein Sieg der Gerechtigkeit.

Nichts ist erledigt - NS-Kunst in deutschen Museen. Heute, 19.30 Uhr, Kampnagel Halle KMH