In der Heimat verboten, in Hamburg herzlich willkommen. Harbour Front Festival, Literaturhaus und Abendblatt laden den unbeugsamen Chinesen nach Hamburg ein.

Hamburg. Die Einladung ist verschickt, eine Zusage gibt es noch nicht. Denn ob der chinesische Autor Liao Yiwu im September nach Deutschland kommen wird, hängt nicht allein von seiner Reisewilligkeit ab, sondern ganz maßgeblich von der Bereitschaft der chinesischen Behörden, ihn überhaupt fahren zu lassen - nach Hamburg.

In Kooperation mit dem Hamburger Literaturhaus und dem Hamburger Abendblatt ist Liao Yiwu zum 2009 erfolgreich gestarteten Harbour Front Literaturfestival eingeladen. Zur Frankfurter Buchmesse hatte der regimekritische Schriftsteller 2009 ebenfalls eine Einladung erhalten, durfte aber China nicht verlassen. Die Hamburger Einladung ist ein neuer Versuch, ihm Stimme und Podium zu geben.

"Das Harbour Front Literaturfestival hat sich zum Ziel gesetzt, die besten Literaten aus aller Welt zum ,Tor zur literarischen Welt' einzuladen. Aus allen Himmelrichtungen", betont Festivalveranstalter Peter Lohmann, der Liao Yiwu zu "den hervorragendsten Vertretern seines Landes" zählt: "Wir wissen um die politische Brisanz, aber wir treten für die uneingeschränkte Freiheit der Literatur ein und möchten diese Literatur auch auf unserem Festival präsentieren."

Literaturhaus-Leiter Rainer Moritz sieht das ähnlich: "Das widerständige Potenzial der Literatur kann sich nur entfalten, wenn sie verbreitet und gelesen wird. Wie Liao Yiwus Werk in China unterdrückt wird und wie er daran gehindert wird, Lesungen im Ausland wahrzunehmen, macht es für das Literaturhaus selbstverständlich, ihn nach Hamburg einzuladen und Freiheit für die Kunst zu fordern, überall."

Auch für Abendblatt-Chefredakteur Claus Strunz sind Meinungs- und Kunstfreiheit "unverhandelbare Bestandteile moderner Gesellschaften": "Es versteht sich von selbst, dass eine Zeitung wie das Abendblatt einem Autor wie Liao Yiwu zur Seite springt, der in China drangsaliert wird und mehrfach nicht ausreisen durfte, nur weil er in seinem Heimatland etwas tut, was hierzulande für uns selbstverständlich ist: herausfinden, was ist, und über die Wirklichkeit schreiben. Wir haben immer wieder über ihn berichtet und freuen uns darauf, mit ihm in Hamburg darüber sprechen zu können."

Für einen Besuch des Autors ergäbe sich zudem eine interessante terminliche Überschneidung: Vom 9. bis 25. September findet auch die "China Time Hamburg" statt, eine Veranstaltungsreihe mit Partnern unter anderem aus Wirtschaft, Politik, Kultur, Wissenschaft und Sport, mit der die Hansestadt ihre China-Kompetenz unter Beweis stellen möchte. Interessenkonflikte befürchtet man offenbar nicht: "Wir freuen uns über möglichst vielfältige Beiträge regionaler und überregionaler Akteure, die über aktuelle Entwicklungen in China und die deutsch-chinesischen Beziehungen informieren", erklärt Senatssprecherin Kristin Breuer diplomatisch.

Erst am Dienstag hatten renommierte Autoren wie Mario Vargas Llosa, Nadine Gordimer und Javier Marias zur Solidaritätslesung aufgerufen: Am 4. Juni, dem Jahrestag des Massakers auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking, sollen Liao Yiwus Werke weltweit öffentlich vorgetragen werden. Ob die so geschaffene Aufmerksamkeit dazu beiträgt, dass er zum Harbour Front Literaturfestival kommen darf, wird man endgültig wohl erst im September erfahren.