Das Kunsthaus und die Galerie von Loeper blicken auf das Werk, in dem sich die Kunstgeschichte der Bundesrepublik Deutschland spiegelt.

Hamburg. Schwungvoll sieht sie aus, von nah wie von fern, und alles mit leuchtenden Farben, viel Figur und Dynamik. Malerei, eher klassisch-modern als cool und sachlich, präsentieren das Kunsthaus und die Galerie von Loeper zurzeit in ihren Räumen. Anlässlich des 75. Geburtstags von Florian Köhler zeigen sie eine Werkschau seiner Malerei, von den Anfängen bis ins Jahr 2009. Der erste Eindruck eines reinen Malers trügt ein wenig. Hinter Florian Köhler steckt nicht nur eine individuelle Biografie als Maler, der in Fabriken oder unter mediterranem Licht vom Werksangehörigen bis zum Austernfischer die Motive seiner Gemälde findet. Sein Name steht ebenso für die Kunstgeschichte der jungen Bundesrepublik.

Mit den Künstlergruppen Spur, Wir und später Geflecht - den beiden Letzteren gehörte Florian Köhler an - macht sich auch im neuen jungen Deutschland das Unbehagen am künstlerischen Subjekt breit. Geflecht experimentierte kollektiv, versuchte sich in Entindividualisierung, propagierte Antiobjekte, stellte Malerei generell unter Verdacht und formulierte sie gleichzeitig neu als politisch-sozial gedachtes Raum-Geflecht. Wie allem, was in den 60er-Jahren den Aufstand wagte, war auch Geflecht das baldige Ende beschert. Aus dem rebellierenden Schwabing in München und des Gruppendaseins überdrüssig zog es Florian Köhler mit Lebenspartnerin nach Hamburg. Retrospektiv gesehen - und dies demonstrieren die aktuellen Ausstellungen - blieb Köhler sich und dem Geflecht-Ansatz jedoch erstaunlich treu.

Es gibt kaum Brüche, sieht man von einer Pop-Phase ab, die das Malerische mehr ins Cartoon-Format transportiert. Doch auch hier wie in den übrigen Gemälden herrscht der geflechtartige Ansatz aus farbig-abstrakten und figurativen Elementen, etwas, das nie zur Ruhe kommen will und sich mehr im Fragmentarischen und Collageartigen aufhält. Da ist das Informel genauso nahe wie die Einflüsse eines Max Beckmann. Was Florian Köhlers Bilder nicht immer auf den ersten Blick verraten, ist die sozial-politische Erfahrungswelt, die seinen Arbeiten unterlegt ist. Offenkundig tritt es in der Kritik an der automobilen Gesellschaft zutage. Körperteile verwandeln sich zusammen mit technischen Objekten in aggressiv-dynamische Haufen. Eher versteckt zeigt sich der motivische Background in Bildern, die "Taucher", "Kampf bei den dunklen Schiffen" oder "Der Voyeur" heißen. Dass hier historische Ereignisse wie der Nato-Doppelbeschluss oder kulturelle Anregungen wie Hitchcocks Thriller "Fenster zum Hof" zugrunde liegen, ist nicht zwingend ersichtlich. Die Werke tendieren mehr zur Verallgemeinerung der conditio humana als zum Verharren im gewählten Zeitfenster. Florian Köhlers späte Arbeiten, Inseln bewegter Menschengruppen inmitten eines Weltozeans aus Horizont und Boden, sind ganz dieser Beschäftigung mit der menschlichen Existenz verpflichtet.

Kunsthaus Hamburg, bis 25. April: Florian Köhler. Die Hamburger Jahre 1970-2010. Galerie von Loeper, bis 8.5.: Frühe Werke Florian Köhlers aus der Wir- und der Geflecht-Periode.