Ärger in der Kulturszene: Der Verein Jazzhaus Hamburg und der Jazzclub Stellwerk fühlen sich vom Hamburger Senat nicht ernst genommen.

Hamburg. Über 22 Seiten erstreckt sich die Antwort, die der Senat am 19. Februar auf eine Große Anfrage der SPD-Fraktion in der Bürgerschaft zur "Situation der Jazzmusik in Hamburg" gab (Drucksache 19/5141). Vertreter der Szene haben das Papier inzwischen studiert - und für höchst unbefriedigend befunden. Am Dienstag veröffentlichte der Verein Jazzhaus Hamburg einen offenen Brief an die Kulturbehörde, gestern legte der Jazzclub im Stellwerk mit einer Stellungnahme nach.

Der seit 1994 existierende Verein Jazzhaus, dem überwiegend Musiker angehören, bewertet die Lern-, Lebens- und Arbeitsbedingungen der Ausübenden dieser Kunstform weit weniger rosig als der Senat, der selbstgenügsam konstatierte: "Die Jazzmusikszene Hamburgs weist Ausprägungen auf, die denen anderer großer deutscher Städte vergleichbar sind." Tatsächlich ist das akademische Ausbildungsangebot seit Gründung des Studiengangs Jazz 1982 gleichbleibend gering - 34 Studenten -, die finanzielle Förderung von Klubs und Institutionen höchst überschaubar. Dankbar verlässt sich der Senat seit einigen Jahren auf private Förderer, vorrangig die Langner-Stiftung, die den Jazz in Hamburg durch Stipendien, den Hamburger Jazzpreis und ein starkes Engagement an der Hochschule unterstützt. "Bisher war es nötig, Musikerinnen und Musiker aus den USA oder inzwischen auch aus Skandinavien 'einzukaufen', um für Jazzklubs interessant zu sein. Inzwischen ist ein Stipendium der Dr.- E.A.-Langner-Stiftung zu einem solchen Qualitätsmerkmal geworden", heißt es in der Senatsdrucksache. Abgesehen davon, dass die behauptete Korrelation zwischen der Qualität eines Künstlers und seinen Auftrittschancen reichlich blauäugig anmutet: Auch für Stipendiaten bleiben die Möglichkeiten für Live-Jazz rar gesät und funktionieren überwiegend nach dem bewährten Prinzip der Selbstausbeutung - auf Eintritt spielen und ehrenamtlich Karten abreißen.

Auf diesen Umstand weist Heiko Langanke vom Jazzclub Stellwerk hin. Der als Verein organisierte Jazzklub auf dem Bahnhof Harburg bietet jährlich zwischen 120 und 140 Jazzkonzerte. Sein Hauptproblem aus Hamburger Sicht: die Lage. Aber "nördlich der Elbe hätten wir mit gewerblichen Bietern nicht mithalten können". Langanke und seine Mitstreiter stellen sich die Frage, "ob die selbst eingeleitete ehrenamtliche Arbeit nicht früher oder später zu einer Art Kultur-Dumping führt".

Dass die staatliche Förderung von Überäumen vor sieben Jahren eingestellt wurde, deutet der Senat als Reaktion auf mangelnden Bedarf seitens der Musiker. Das sehen die Jazzhäusler ganz anders. "Ein Übungsraum ist für einen Musiker wie ein Atelier für einen Künstler. Es ist ein Arbeitsraum, in dem sich viele Musiker täglich mehrere Stunden aufhalten. Übungsräume in schimmligen Kellern oder unbeheizten Bunkern - teilweise zu horrenden Mieten oder hohen Stundenmieten - stellen eine unwürdige, unangemessene und verbesserungswürdige Arbeitssituation dar."

Aus dem Brief der Musiker von Jazzhaus Hamburg e. V. spricht vor allem Verbitterung darüber, dass der Senat ihre Kunstform weder einzuordnen weiß noch angemessen wertschätzt: "Es läuft darauf hinaus, dass der Senat dem Thema Jazz offenbar keinerlei Bedeutung abgewinnen kann und deshalb auch kein Interesse hat, sich damit zu beschäftigen. Jazz wird als eine Art Nischengenre für Randgruppen und Individualisten angesehen." Den vom Staat mitfinanzierten Auftritt von sieben Hamburger Jazzbands beim Festival in Dubai im Februar findet der Verein "bestenfalls nett". Er moniert, das Geld hätte "wesentlich nachhaltiger investiert werden können". Die Senats-Unterstützung für das Elbjazz-Festival, das Ende Mai unter der Schirmherrschaft des Ersten Bürgermeisters vom Stapel läuft, wird vom Verein dagegen "besonders begrüßt".

Dafür stellt Jazzhaus e. V. das Existenzrecht des einst von ihm mit begründeten Jazzbüros Hamburg infrage, das von der Stadt jährlich mit 49 000 Euro unterstützt wird. "Es hat sich von seiner ursprünglichen Konzeption entfernt und ist kein Sprachrohr der Hamburger Jazzszene, sondern lobbyistisch schwach aufgestellt und szenefern." Teile und herrsche? Fürs Teilen der Szene braucht die Politik nicht zu sorgen. Das tut sie schon ganz allein.