Stiftung ehrt mit großer Ausstellung in Bremen ihren Namensgeber, Wilhelm Wagenfeld. Nazis schickten Bauhaus-Künstler an Ostfront.

Bremen. Für den Zeitgeist hat er sich nie interessiert, Moden und Trends waren ihm gleichgültig. Aber vielleicht liegt gerade darin das Erfolgsgeheimnis des Bauhaus-Künstlers Wilhelm Wagenfeld begründet, der heute vor 110 Jahren in Bremen geboren wurde.

Von heute an würdigt ihn seine Heimatstadt mit einer großen Jubiläumsausstellung, in der die Wilhelm-Wagenfeld-Stiftung anhand von zahlreichen originalen Objekten und Entwurfszeichnungen aufzeigt, wie der Künstler es verstand, Form und Funktion, Ästhetik und Zweckmäßigkeit zu vereinen. Außerdem vermitteln private Fotos, Briefe und Dokumente einen Einblick in das Leben des Bauhäuslers, der einige der größten Design-Klassiker des 20. Jahrhunderts geschaffen hat. Legendär sind seine Salzstreuer "Max und Moritz" (von WMF), das heute von der Porzellanmanufaktur Fürstenberg produzierte Service 639 oder die 1924 entworfene Leuchte WG 24, die mittlerweile als nobles Accessoire zahllose Lofts und Anwaltsbüros ziert.

Wilhelm Wagenfeld nahm Zeichenunterricht, absolvierte an der Bremer Silberwarenfabrik Koch & Bergfeld eine Lehre und trat 1923 als Silberschmied-Geselle ins Weimarer Bauhaus ein. Schon im Jahr darauf gelang ihm mit seiner Leuchte ein ganz großer Wurf, an dem sich bereits sein künstlerisches Credo ablesen lässt: Wagenfeld ging es nicht ums Dekor, nicht um Schmuck oder Schein, sondern stets um die Funktion, die Brauchbarkeit. Er war der Ästhetik des Zweckmäßigen verpflichtet, was seinen Entwürfen eine zeitlose Schönheit und Eleganz verlieh. Im Alter von 28 Jahren übernahm Wagenfeld im Bauhaus die Leitung der Metallwerkstatt. Nachdem er 1930 anfing, für das Jenaer Glaswerk Schott & Gen. und später auch für die Vereinigten Lausitzer Glaswerke zu entwerfen, begann eine besonders fruchtbare Ära, in der Klassiker wie sein berühmtes Teeservice aus feuerfestem Glas entstanden. "Glas ist der Zauberer gefrorenen Lichts", sagte Wagenfeld, für den Glas neben Metall zu den wichtigsten Materialien gehörte.

"Das Schwierigste an meinem Tun ist wohl immer die Bescheidung: so lange an einer Sache zu arbeiten, bis sie abgelöst ist von allen Spuren des eigenen Zutuns, völlig für sich und in sich abgeschlossen da sein kann, einfach da ist", schrieb Wagenfeld 1965 in einem Brief. Dass er es hasste, als Designer bezeichnet zu werden, ist vor diesem Hintergrund verständlich. Designer waren für ihn "Hüllenmacher", ihm ging es dagegen um das Wesenhafte, um die Bestimmung der Form.

Dass die Nationalsozialisten diese Art der Formgebung ablehnten, liegt auf der Hand. Wagenfeld weigerte sich, der NSDAP beizutreten, wurde zur Wehrmacht eingezogen und an die Ostfront geschickt.

Nach Kriegsende übernahm er eine Professur an der Berliner Hochschule für bildende Künste, ging aber 1954 nach Stuttgart, wo er die "Werkstatt Wagenfeld" gründete, eine der erfolgreichsten westdeutschen Designschmieden, die unter anderem Entwürfe für WMF, die Elektrofirma Braun oder den Porzellanhersteller Rosenthal lieferte.

1964 nahm Wagenfeld an der Documenta III teil, wo seine Entwürfe als vorbildliches Industriedesign gefeiert wurden.

Der Erfolg dürfte Wagenfeld befriedigt haben, persönlich war er ein zurückhaltender Mensch. Daher wird es ihn vermutlich kaum gestört haben, dass sein Name weit weniger bekannt ist als viele seiner Formgebungen, die bis heute in zahlreichen Haushalten in Gebrauch sind und teilweise immer noch oder wieder produziert werden.

Als Wilhelm Wagenfeld am 28. Mai 1990 hochbetagt in Stuttgart starb, galt er längst als Jahrhundert-Designer - auch wenn er diese Bezeichnung persönlich wohl abgelehnt hätte.

Die Ausstellung der Wilhelm-Wagenfeld-Stiftung (Am Wall 209) ist bis zum 12.9. Mo-So 10-18, Di 15-21 Uhr geöffnet.