130 Minuten lang verneigte sich Dee Dee Bridgewater in der Laeiszhalle mit ihrer famosen Band vor der großen Billie Holiday.

Hamburg. Wie schnell können 130 pausenlose Minuten in der gut gefüllten Laeiszhalle vergehen - so schnell, dass auch Dee Dee Bridgewater (59) am Montag überrascht war: "Wir spielen noch 'All Of Me' als kleinen Quickie." Nach dieser mit Standing Ovations geforderten Zugabe entschwebte die weit gereiste Amerikanerin aus Memphis zu den Klängen von Kool & The Gangs "Fresh". Oh, war sie "fresh"!

Nachdem Dee Dee vor fünf Jahren in der Laeiszhalle Chansons von Brel, Piaf und Trenet interpretierte, widmete sie sich dieses Mal ihrem aktuellen Album "Eleonora Fagan - To Billie With Love From Dee Dee" entsprechend der so legendären wie tragischen, 1959 verstorbenen Jazz-Ikone Billie Holiday - auch das respektvoll, aber ohne Dee Dee die Doppelgängerin sein zu wollen.

Begeisterte "Lady Day" einst durch Ausstrahlung und Glaubwürdigkeit, so nutzte Bridgewater ihre unfassbar große stimmliche Bandbreite für ihre Hommage: Satchmo-Grollen, Girren, Flüstern, Trillern ... eine Stimme, deren Umfang vom Kohlenkeller bis ins Himmelreich ausgreift, die Bilder erwecken kann von über Tresen schlitternde Bourbongläser oder Plunger-gedämpfte Trompeten. "Lady Sings The Blues": Sex, Lügen, Trauer, Angst, Zweifel und Liebe, die musikalisch erweckten Gefühle waren für manchen Holiday-Puristen vielleicht zu effektvoll präsentiert, auch weil die herausragende Band um Edsel Gomez Rentas (Klavier), James Carter (Saxofon), Stefan Lievestro (Bass) und Gregory Hutchinson (Schlagzeug) sowohl solo als auch im Zusammenspiel einen Vielseitigkeitspreis verdiente.

Und wenn schon. Denn dies war, auch wenn der Absturzopfer von Smolensk mit einer Schweigeminute gedacht wurde, kein Abend der Einkehr, sondern ein spirituelles Bekenntnis zur Kostbarkeit des Lebens. Mit seinen Schattenseiten ("You've Changed", "Strange Fruit") und seiner Liebesgier ("Mother's Son-In-Law", "Lover Man"). Mag Dee Dee Bridgewater eine der letzten großen Jazz-Sängerinnen ihrer Generation sein - "She's fresh, exciting".