Nicolas Stemanns Inszenierung im Thalia ist umstritten. Sonnabend läuft eine Doppelvorstellung.

Hamburg. Der Text pur. Ohne Dekorationsballast. Regisseur Nicolas Stemann setzt zu Beginn seiner Inszenierung von Lessings "Nathan der Weise" ganz auf das Wort. Nur die Stimmen der Schauspieler sind zu hören. Nach und nach übernehmen sie die Rollen, noch die Textbücher in den Händen. Sie verbergen Fremdheit und Distanz zu Lessings Märchenfiguren nicht. Und erzählen doch klar sein Stück. Stemann rollt das Drama aus der heutigen Perspektive auf. Aus dem Wissen um den ewigen Nahost-Konflikt und das Scheitern der Utopie von Toleranz. Er kann nicht mehr an das versöhnliche Märchen aus dem Morgenland glauben. Also verwandelt er es - mithilfe von Elfriede Jelineks "Nathan"-Textparaphrase "Abraumhalde" zu einer sarkastischen Satire auf die Unfähigkeit der Menschen, miteinander in Frieden und Eintracht zu leben.

Stemann zeigt auch, warum das so ist: Die Gier nach Geld und Macht beherrscht den Papst wie den Bankier, den Christen wie den Juden. Nathan erscheint einmal in der Maske von Alan Greenspan, jahrelang mächtigster Mann an der Spitze der US-Zentralbank. Golden glänzt sein Ohrgehänge: ein Dollarzeichen. Nach den aufgestapelten Goldbarren an der Rampe greift auch der Heilige Vater. Stemanns Theater zeigt die Dinge, wie sie schieflaufen, nicht wie sie idealerweise sein sollten. Lessings Figuren spuken zwar über die Bühne, aber es sind Geister der Vergangenheit. Sie werden von den Dämonen der Gegenwart höhnisch ausgetrieben. Denn (Glaubens-)Kriege herrschen in der Welt. Und ihr wahrer Gott ist das Geld.

Nathan der Weise Sa 10.4., 15.00 und 20.00, Thalia-Theater (U/S Jungfernstieg), Alstertor, Karten von 11.50 € bis 44 €, erm. 8 € unter T. 32 81 44 44 oder www.thalia-theater.de