Keine Fragen, keine Namen, keine Erinnerungen - und doch erzählt “Nothing Personal“ von tiefen Gefühlen.

Eine junge, rothaarige Frau sitzt im Fenster ihrer leer geräumten Amsterdamer Wohnung und sieht auf den Bürgersteig hinab, wo Passanten aus den achtlos bereitgestellten Möbeln Mitnehmenswertes auswählen. Währenddessen streift sie langsam ihren Ehering ab. Mehr wird der Zuschauer über ihre Vergangenheit nicht erfahren. Schon in der nächsten Szene ist die junge Frau in Connemara, einer menschenleeren, rauen, gleichwohl atemberaubend schönen Provinz im Westen Irlands angelangt. Die notwendigen Alltagsgegenstände führt sie in einem Rucksack mit sich, sie übernachtet im Zelt. Mit nur wenigen Bildern skizziert die polnische Regisseurin Urszula Antoniak, die auch das Drehbuch schrieb, die Flucht (oder den Neuanfang) einer jungen Niederländerin, von der wir erst sehr viel später erfahren werden, wie sie heißt: Anne. Im Folgenden wird es um Einsamkeit gehen, um Freiheit, um selbst gewählte Einsamkeit also, aber auch um Empathie, Neugier auf den anderen und Nähe.

Eines Morgens entdeckt Anne von einer Anhöhe aus ein abgelegenes Cottage. Es gehört einem Witwer um die 60. Anne wird sich weigern, ihren Namen zu sagen, der Witwer heißt Martin (zurückhaltend: Stephen Rea). Doch auch das erfahren wir erst im letzten Drittel des Films. Sie stimmt zu, Martin im Garten zu helfen, wenn er ihr als Lohn zu essen gibt. Aber: keine Fragen, keine Namen, keine Lebensgeschichten. "Nothing Personal" eben. Anne wohnt weiter in ihrem Zelt, die Mahlzeiten nimmt sie vor dem Haus zu sich. Wie die beiden Einzelgänger sich zunächst wie gleiche Magnetpole abstoßen, um sich dann immer näherzukommen - davon handelt Antoniaks Film.

Lotte Verbeek spielt diese einsame, verhärtete Frau mit versteinertem Gesicht und ganz wenigen Gesten. Kaum einmal, dass sie etwas sagt oder aus sich herausgeht. Wie dann aber der harte Gesichtsausdruck und die automatische Abwehr Schritt für Schritt dahinschmelzen und sich auch die Angst vor körperlicher Nähe legt - das ist ganz großes Schauspielerkino. Dabei scheint die melancholische Schönheit und Einsamkeit der irischen Landschaft, von Kameramann Daniel Bouquet bewundernswert eingefangen, die Gemütslage der Protagonistin zu spiegeln. Einmal läuft Anne ganz klein von links nach rechts über ein Torffeld, bei einer Autofahrt verwischen die vorbeirasenden Bäume zu einem bedrohlichen Ungetüm, nebelverhangene Berge verweigern jede Sicht. Worte sind hier gar nicht nötig. Man weiß auch so um die Verletztheit der Figur.

Nothing Personal Irland/Niederl. 2009, 85 Min., ab 6 J., R: Urszula Antoniak, D: Lotte Verbeek, Stephen Rea, täglich im 3001 (8.-14.4., OmU), Koralle; www.mfa-film.de

Bewertung: überragend