Historiker Pinto-Duschinsky wirft der Stiftung Verdrängung vor: Er fällt ein vernichtendes Urteil über den Stiftungsgründer Alfred Toepfer.

Hamburg. Als der Hamburger Unternehmer Alfred Toepfer 1993 starb, wurde er als Stifter und Mäzen hoch geehrt. Dass dieser verdienstvolle Mann, dessen 1931 gegründete Stiftung F.V.S. Projekte in den Bereichen Kultur, Wissenschaft, Bildung und Naturschutz weit über Deutschland hinaus mit erheblichen Mitteln fördert, persönlich und geschäftlich in das nationalsozialistische System verstrickt war, geriet erst vor etwa anderthalb Jahrzehnten in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung und ist seither Gegenstand der zeitgeschichtlichen Forschung.

In der April-Ausgabe der Zeitschrift "Standpoint" hat der britische Historiker Michael Pinto-Duschinsky jetzt unter der Überschrift "Die Toepfer-Akten - ein Nazi-Schatten über Oxford" nicht nur ein vernichtendes Urteil über Toepfer gefällt, sondern zugleich heftige Kritik an der Alfred-Toepfer-Stiftung F.V.S. geübt und gefordert, dass die Universität Oxford ihre Kontakte zu der Hamburger Institution abbrechen soll. Durch die finanzielle Unterstützung, die die Universität Oxford durch Stipendien erfährt, nähme die Toepfer-Stiftung Einfluss auf die Art, in der der Holocaust dort "gelehrt oder - genauer gesagt - zu wenig gelehrt" werde. Pinto-Duschinsky behauptet, die Stiftung versuche Toepfers Nazi-Verstrickungen zu leugnen und habe ihm persönlich den Zugang zu wichtigen Akten verweigert.

Ansgar Wimmer, seit 2005 Vorstandsvorsitzender der Stiftung, bestreitet diese Vorwürfe und verweist auf die Bemühungen der Stiftung, die Biografie ihres Gründers aufzuarbeiten: Von 1997 an hatte eine Historikerkommission, der auch der renommierte Zeitgeschichtler Hans Mommsen angehörte, Toepfers Aktivitäten in der NS-Zeit erforscht und im Jahr 2000 eine Publikation dazu vorgelegt. Noch kritischer betrachtet der Autor Jan Zimmermann den Stiftungsgründer in seiner Biografie, die 2008 in der Reihe "Hamburger Köpfe" erschienen ist und ebenfalls von der Toepfer-Stiftung gefördert wurde. Auf ihrer Webseite verweist die Stiftung auf beide Publikationen.

Als Beleg für Toepfers schuldhaftes Verhalten führt Pinto-Duschinsky in seinem Artikel längst veröffentlichte Tatsachen an und bedient sich dabei ohne Quellenangabe in der Biografie von Jan Zimmermann. So erwähnt er zum Beispiel, dass eine von Toepfers Tochterfirmen Löschkalk an das Getto von Lodz geliefert hat, der dort zur Abdeckung von Massengräbern benutzt worden war. Darüber hatte aber bereits die Historikerkommission im Jahr 2000 berichtet. "Das ist ein beschämender und bedrückender Vorgang, den die Stiftung nach seinem Bekanntwerden nie in Abrede gestellt hat", sagt Wimmer, der bestreitet, Pinto-Duschinsky Zugang zu wichtigen Akten verweigert zu haben. "Gerade weil wir uns um Transparenz bemühen, haben wir die Verlegung der Akten ins Hanseatische Wirtschaftsarchiv veranlasst, wo sie der wissenschaftlichen Forschung uneingeschränkt zugänglich sind."

In Oxford soll nun ein Ausschuss die "Hanseatic Scholarships" und das Wirken der Toepfer-Stiftung überprüfen. "Ich hoffe sehr, dass sich die Mitglieder des Ausschusses ein unvoreingenommenes Bild von der Stiftung und ihren Bemühungen machen, die schwierige Biografie ihres Gründers vorbehaltlos erforschen zu lassen", meint der Vorstandsvorsitzende.

Zu den Mitgliedern der Kommission gehört auch Richard Evans, der in Cambridge Moderne Geschichte lehrt. Evans wurde u. a. durch seine 1987 erschienene Untersuchung "Death in Hamburg" über die Hamburger Cholera-Epidemie von 1892 bekannt. Die Forschung dafür hatte ihm ein Stipendium der Alfred-Toepfer-Stiftung ermöglicht.