Ein leichtes Gruseln fährt mir durchs Herz, als iTunes meldet, dass nun meine Mediathek gescannt wird, damit ich in Bälde meine ganz persönlichen Genius-Empfehlungen erhielte. Falls Sie das noch nie gemacht haben: Stellen Sie sich einen alerten Plattenverkäufer vor, der mit einem Klemmbrett bewaffnet zu Ihnen nach Hause kommt. Mit "Aha!" und "So, so" zupft er Vinyls und CDs aus den Regalen, ignoriert Ihre Einwürfe "Die Fetenhits `74 war'n Geschenk ... Madonna ein Fehlkauf ... ach, das olle Album von den Jackson Five, da war ich 14!", und übergibt Ihnen letztlich schwungvoll eine Liste mit Kaufempfehlungen. Darauf steht: "Sie haben Musik von Enigma, kaufen Sie deshalb auch Mike Oldfield."

Das ist schon schlimm.

Wenn Sie ihm aufs Geratewohl ein Lied nennen wie "Azzuro" von Adriano Celentano, stellt er Ihnen flugs einen tollen neuen Mix zusammen und kreuzt den Italo-Hit beherzt mit Gloria Gaynors "I am what I am", Reinhard Fendrichs "Macho, Macho" und Ina Deters "Neue Männer braucht das Land".

Das ist noch schlimmer.

Das Internet ist voll von solchen "persönlichen Empfehlungen". Hat man sich in die Heuschrecken-Greifer der Informations-Messies wie Amazon oder iTunes gewagt, kann man sich kaum retten vor Vorschlägen, was man alles kaufen muss, weil es zum letzten Einkauf "passt": So wurde mir nach dem Erwerb von "Frauen, die schreiben, leben gefährlich" die "Überlebensbibliothek" angedient, auf "Hamburg, meine Perle" folgte "Liebe macht taub". Oha. Oder weil andere es auch gekauft haben: Wer bei Amazon eine Packung Grillanzünder ordert, bekommt mitgeteilt, dass Kunden, die dieses Produkt kauften, ebenso "Obstbaumschnitt in Bildern" und "Hilfe, die Amis kommen" gekauft hätten.

Ach so. Und 27,5 Prozent der Gäste, die die Tomatensuppe als Vorspeise hatten, nahmen auch das Lamm und ein Taxi?

Auf ähnlichen Algorithmen beruhen übrigens Partnervermittlungen - eine Rechenmaschine kreuzt so lange die kleinsten gemeinsamen Nenner, bis Liebe rauskommt. Vielleicht sollten Amazon, iTunes und Parship zusammenarbeiten. Wer Grillanzünder sucht, bekommt die Adresse von Singles, die beim Obstbaumsägen Ina Deter hören.

"Knastpralinen" - Premierenlesung aus dem neuen St.-Pauli-Krimi von Simone Buchholz, Do 8.4., 20.00, Nachthafen, Clemens-Schultz-Str. 93 (U St. Pauli), Ticket 7,-; www.nachthafen-hh.de

Nina George schreibt jede Woche in LIVE und liebt Hamburg.