Die Heilsgläubigkeit in durchkommerzialisierten Wallfahrtsstätten ist ein gefundenes Fressen für den seziererischen Blick einer Regisseurin wie Jessica Hausner. Die Österreicherin hat bereits in "Hotel" mit sparsamen Mitteln hinter Fassaden geblickt. Auch "Lourdes" beginnt unspektakulär: Christine, eine junge, aufgrund einer Multiple-Sklerose-Erkrankung gelähmte Frau (Sylvie Testud), ist Teil einer Gruppe Heilssuchender im französischen Lourdes, in der eine Marienerscheinung unheilbar Kranken ein Quell der Hoffnung ist.

Sie wechselt zwischen dem Fabrikcharme des Esssaals, eng getimten Tagesausflügen zur Grotte und ihrem Zimmer, das sie mit der einsamen Frau Hartl teilt. Isoliert und im Wartestand des Lebens bleiben ihr nur die sehnsüchtigen Blicke zu einem jungen, attraktiven Malteser. Als sie tatsächlich langsam ihre Glieder wieder spürt, wird die dunkle Seite der gläubigen Gruppe sichtbar. Das mitleidige Wohlwollen kehrt sich ins Gegenteil. Missgünstig wird nach Erklärungen geforscht, nach Ursachen des Verdienstes ausgerechnet für eine Ungläubige. Eine, die weniger gebetet hat als andere. Kann man sich ein Wunder verdienen?

Mit ihrem unerbittlichen Minimalismus enthüllt Hausner die Doppelmoral der Heilssucher. Und auch wenn Christine ihre neu gewonnene Lebensfreude genießt, bleiben offene Fragen. Das Unerklärliche bleibt mysteriös. Und da sagt Schwester Cecile den letztlich zutreffenden Satz: "Die meisten erhalten Seine Gnade erst, wenn sie tot sind." Hausners Film entfaltet sein verstörendes Aroma langsam, doch dann wirkt es lange nach.

Lourdes A/D/F 2009, 99 Minuten, ab 12 Jahren, R: Jessica Hausner, D: Sylvie Testud, Léa Seydoux, täglich im Holi, Koralle; www.lourdes-derfilm.de

Bewertung: sehenswert