Inszenierung und Musik harmonieren dank starker Darsteller und eines tadellos aufspielenden Orchesters unter Jeffrey Tate.

Hamburg. Wer je eine vom vorgelesenen Text begleitete Aufführung des Mendelssohnschen "Sommernachtstraums" durchlitten hat, weiß wie unendlich banal die Doppelung von Erzählung und illustrierendem Elfengetrippel ausfallen kann. Dieser Gefahr entging man bei der Aufführung von Jean Sibelius' Bühnenmusik zu Shakespeares "Der Sturm" am Sonntag in der Laeiszhalle: dank der guten szenischen Einrichtung durch Joachim Lux, der die Substanz des Bühnenstücks für den Konzertsaal rettete, und dank der stark spielenden Hamburger Symphoniker.

Lux, Chef des Thalia-Theaters, konzentrierte das Geschehen auf die Personenpaare Prospero und Ariel bzw. Trinculo und Stephano sowie auf den spätpubertären Proleten Caliban. Die Mitglieder des Ensembles spielten dabei in, neben oder vor dem Orchester, sowie im Zuschauerraum und auf den Rängen. Dazu kamen noch ein paar Lichteffekte und Spotlights - und fertig war der Theaterzauber.

Wolf-Dietrich Sprenger gab einen etwas sehr altersmüden Prospero, der nur bei dem Gedanken an seine Tochter Miranda noch ein wenig Energie auszustrahlen vermochte. Umso kraftvoller und ungebärdeter gestaltete Alexander Simon dafür den Caliban. Der wirkte weniger wie eine erdgebundene Missgeburt, sondern wie ein ungeliebter und missratener Stiefsohn aus gutem Hause, der seinen Frust in Schnaps ersäuft und zu feige ist für eine eigene Tat.

Wunderbar blasiert spielte Hans Löw einen stets leicht pikierten Diener Trinculo, der die Attitüde und weltmännische Gelassenheit eines Gentlemans zu imitieren versucht. Und Thomas Niehaus gab einen versoffenen Aushilfsgott Stephano, der im Umgang mit seinem "Dienermonster" doch immer noch mehr Menschlichkeit an den Tag legte als der bittere Prospero. Angelika Thomas schließlich überzeugte mimisch und musikalisch als nervöser, gut singender und schlecht Flöte spielender Windgeist Ariel.

Gut gelöst war in dieser Aufführung das Verhältnis von Wort und Ton. Lux' Bearbeitung ließ der Musik Raum, um jene Bilder und Vorstellungen heraufzubeschwören, die wir auf der improvisierten Konzertbühne nicht zu sehen bekamen. So wurde die Musik, statt im Stile des Micky-Mousing das Bühnengeschehen akustisch zu illustrieren, ihrer eigentlichen Funktion gerecht: dort weiterzureden, wo die Sprache an ihrer Grenzen kommt.

Als echte Entdeckung erwies sich Sibelius' komplette, sonst immer nur in Auszügen gespielte Bühnenmusik: Der Komponist großformatiger, symphonischer Naturschilderungen zeigt sich hier als Meister des kleinen Charakterstückes und als Erfinder einprägsamer Melodien. Die Symphoniker unter Jeffrey Tate lieferten dabei eine tadellose Leistung ab. Irritierend für den Konzertbesucher war nur eine von der elektronischen Verstärkung mitunter durcheinandergebrachte Klangbalance. Manche laute Stelle knallte da mit unerwarteter Wucht, während manch leise Töne viel zu laut ausfielen, um noch etwas Geheimnisvolles zu transportieren.

Spaß gemacht zu haben scheint dieses gelungene Experiment Musikern, Theaterleuten und Publikum aber gleichermaßen. Maestro Tate jedenfalls ließ sich im Dienste der Kunst gar herab, während der Arbeit einen kräftigen Schluck aus Stephanos Pulle zu nehmen. Das Publikum dankte nach zwei Stunden mit lang anhaltendem Applaus.

Mit Projekten wie diesen bringt Symphoniker-Intendant Daniel Kühnel den versprochenen "Geist" in Hamburgs Musikleben. Für die nächste Saison ist eine Aufführung von Edward Griegs Schauspielmusik zu "Peer Gynt" geplant. Ein Termin, den man sich vormerken sollte.

Der Sturm läuft noch einmal heute, 19.30 Uhr, Laeiszhalle