Cenk Batu droht seine Nachbarin zu verlieren, Klaus Borowski muss ohne Psychologin auskommen und Charlotte Lindholm wohnt wieder allein.

Es fehlt nicht viel, und der NDR-"Tatort" muss sich über eine hausinterne Vermisstenstelle Gedanken machen, so viele prägende Nebenfiguren drehen dieser Tage dem Sonntagskrimi den Rücken. Da wäre zum einen die von Maren Eggert so tiefgründig-spröde verkörperte Polizeipsychologin Frieda Jung, Kommissar Borowskis heimliche Liebe, die am Ostersonntag zum letzten Mal im Krimi zu sehen sein wird. Grund für die Trennung ist Eggerts Theaterengagement in Berlin, das sich mit dem Drehplan nur schwer vereinbaren lässt; mit einer Nachfolgerin seien die Gespräche "sehr weit" vorangeschritten, so NDR-Unterhaltungschef Thomas Schreiber.

Weniger dezent verabschiedete sich Ingo Naujoks als Maria Furtwänglers softer Mitbewohner von der Reihe. Via "Bild"-Zeitung beschwerte er sich über seine Rolle, die ihm nach acht Jahren zu immergleich und, kurz gesagt, weicheiig war. Man kann es ihm nicht verdenken - und witzig waren die Szenen zwischen der alleinerziehenden Kommissarin und dem Krimiautor mit Mutterinstinkt ohnehin nach der ersten Folge nicht mehr, geschweige denn ergiebig für den Fall. Auch beim Niedersachen-"Tatort" hat der Sender bereits "klare Vorstellungen" über einen Naujoks-Nachfolger, von dem bislang offiziell nur feststeht, dass er nicht ins lindholmsche Appartement einziehen wird.

Bleibt noch der Hamburger "Tatort", der jüngste in der Reihe und das heimliche Problemkind des Senders. Zum dritten Mal ermittelt der von Mehmet Kurtulus verkörperte Cenk Batu, der einer Umfrage des Medienportals meedia.de zufolge in dieser Woche zum unbeliebtesten "Tatort"-Kommissar gewählt wurde. Nun ist die Herausforderung, aus der Perspektive eines verdeckten Ermittlers zu erzählen, ungleich größer, als es bei einem Kommissar-Pärchen der Fall ist. Nach Ostern wollen die NDR-Verantwortlichen mit Produzenten und Hauptdarstellern besprechen, "wohin die Reise gehen soll", erklärt Thomas Schreiber.

In diesem Zuge werde auch geklärt, ob die Thalia-Schauspielerin Patrycia Ziolkowska weiterhin im Krimi auftritt. Zwischen ihrer Figur und dem einsamen Wolf Batu gab es in den beiden vorangegangenen Fällen vielversprechende Flirtversuche im Treppenhaus im neuen Fall "Vergissmeinnicht" ist für derartige Spielereien kein Platz. Denn Cenk Batu verliebt sich. So richtig. Mit Gegenseitig-Essen-in-den-Mund-Schieben und Bauch-an-Rücken-Schlafen. Mia Andergast heißt die dunkelhaarige Schöne, die von Kurtulus' Lebensgefährtin Désirée Nosbusch gespielt wird - und wir wären nicht beim "Tatort", trüge sie nicht ein dunkles Geheimnis mit sich. So harmlos wie der Satz "Haben Sie ein Taschentuch?", mit dem es beginnt, geht es mitnichten weiter.

Der Besetzungscoup kommt glücklicherweise sehr viel weniger augenzwinkernd daher, als es vielleicht ursprünglich gemeint war. Die Liebesszenen sind angenehm dialogarm inszeniert und glaubhafter als in manch einem Fernsehfilm, der sich 90 Minuten dem Auf und Ab der Gefühle widmet.

Von diesem Ausflug ins Privatleben abgesehen, bleibt sich der Hamburg-"Tatort" auch in dieser Folge treu: Es gibt großartige, tableauhafte Einsamkeitsbilder von menschenleeren Räumen und regennassen Straßen; wichtigstes Stilprinzip ist die Bewegung, das Unterwegssein. Und so passt es denn auch, dass sich der neue Fall zu großen Teilen auf dem Airbus-Gelände zuträgt, das trotz seiner ganzen anonymen Riesenhaftigkeit ein Ort des Durchgangs und des Aufbruchs ist.

Regisseur Richard Huber beweist wieder einmal, dass Undercover-Mann Batu der James Bond in der "Tatort"-Riege ist: Lässiger ist keiner, mehr Sinn für Dateien, Dots und Chiffren geht nicht im deutschen Krimi. Batu denkt schnell und redet noch schneller, Zeit lässt er sich nur beim Fernschachspielen mit seinem Vater. Beliebtheit hin oder her - bei all den Coolheits-Attributen kann sein relativ blass gezeichneter Bürokraten-Chef, gespielt von Peter Jordan, natürlich nicht mithalten. Aber immerhin - und das ist dieser Tage viel wert bei den "Tatort"-Nebenfiguren: Er ist noch da.

So, 20.15 Uhr ARD