Die Schriftstellerin Anne Weber ging vor 27 Jahren, direkt nach dem Abitur, von Büdingen nach Paris. Dort lebt die 45-Jährige bis heute, sie schreibt auf Französisch ebenso gut wie auf Deutsch. Ganz offensichtlich liebt sie die Vervielfältigung von Identität.

Darum geht es auch in ihrem neuen Roman "Luft und Liebe" - den Leipziger Buchpreis hat die dort Nominierte zwar nicht gewonnen, lesen aber sollte man das Buch trotzdem. Das Thema ist die Suche nach der großen Liebe, die auch in reiferen Jahren nicht aufhört. Ebenso wie der Wunsch nach Kindern und die Sehnsucht nach Glück. Dass dies alles oft in bitterer Enttäuschung endet, macht es zum literarischen Sujet. Was eignet sich besser für die Literatur als das Scheitern?

Anne Weber erzählt offensichtlich eine Geschichte, die ihr selbst widerfahren ist. Denn ihre Heldin ist Schriftstellerin, um die 40 Jahre alt, und lebt in Paris. Ganz unverhofft lernt diese Frau ihren Traummann kennen, einen bereits reiferen und nicht besonders gut aussehenden Mann aus altem Adelsgeschlecht, den sie "armer Ritter" nennt. Aber sie will das Private nicht als Privates preisgeben. Auch ist ihr das Erlebte peinlich, weil sie überrumpelt worden ist, blind vor Liebe war.

So erfindet sie eine Romanfigur, Léa, der ebendies passiert. "Es sollte eine Liebesgeschichte werden, und damit niemand auf die Idee käme, die Geschichte sei womöglich mir selbst widerfahren - bin ich nicht viel zu schamhaft, um in aller Öffentlichkeit mein Liebesleben auszuplaudern? -, habe ich damit angefangen, mich Léa zu nennen." Aber sie merkt, so geht es nicht, so wird die Geschichte zu kompliziert. Sie wirft das Buch über Léa in den Papierkorb. Und schreibt doch über die Schriftstellerin, den Ritter und den Liebesbetrug. Ziemlich am Ende des Romans weiß sie auch, "wem oder was würde man lieber sein Schamgefühl opfern als der Literatur?"

Die Geschichte beschreibt eine Liebesbeziehung, in der die Frau plötzlich ihre biologische Uhr ticken hört. Der Mann, der ihr erklärt, sie sei die Liebe seines Lebens, will mit ihr sogar die Reproduktionsmedizin bemühen, macht dann aber Ausflüchte. Erst langsam nimmt die Geliebte das Lügengeflecht hinter der vorgegebenen Romantik ihres Ritters wahr. Schicht um Schicht erscheint die Wahrheit.

Aus Liebe wird Bitterkeit, Hass, schließlich Rache. Sie erkennt, dass es "ihn, den ich geliebt, den ich Ritter genannt hatte, gar nicht gab, außer in meiner Einbildung. Umgekehrt war ich wohl auch für den falschen Ritter als leibhaftiger Mensch nicht vorhanden gewesen. Es waren zwei Phantome, zwei Luftgebilde." So erklärt sich der Titel "Luft und Liebe". Anne Weber konzentriert sich fast allein auf ihre Hauptfiguren. Sie schreibt ironisch, manchmal ein wenig altmodisch und amüsant. Ihr Roman wirkt zuweilen leicht wie ein Soufflé und durch die Idee des Romans im Roman auch ungewollt umständlich. Kennen wir nicht alle jemanden wie diese Heldin, die desillusioniert und kinderlos zurückbleibt? Es ist beachtlich, wie Anne Weber diesem alltäglichen Schicksal ganz neue Farben, Bilder und Formen abgerungen hat. An diese Geschichte erinnert man sich. Was macht es da schon, dass sie für die Heldin auch peinlich ist.

Anne Weber, "Luft und Liebe", S. Fischer Verlag, 189 S., 17,95 Euro