Heike Makatsch stellt sich gegen Konventionen, setzt sich durch und wird Ärztin - auch wenn Männer ihr das Leben schwer machen.

In fast jeder Kneipe hängt ja einer dieser Gratispostkartenständer; dieser Tage blickt einem aus ernsthaften blaugrauen Augen Heike Makatsch daraus entgegen. Mit schwarzem Schnurrbart. Und dem etwas sperrigen Spruch "Früher war Frau besser ein Mann". Über den kann nachdenken, wer möchte; und wer nicht möchte, kann Heike Makatsch den selbst klebenden Schnurrbart abziehen und über die eigene Oberlippe heften. Das ZDF sitzt in Mainz, ist also regionsbedingt karnevalsaffin, die Gimmick-Karte wirbt für den neuen Heike-Makatsch-Zweiteiler "Dr. Hope - Eine Frau gibt nicht auf", den Arte am Freitag vorab zeigte und den das Zweite heute und Mittwoch zur Primetime im Programm hat.

Heike Makatsch spielt darin die couragierte Ärztin Hope Bridges Adams, einer frühen und zu Unrecht weitgehend unbekannten Feministin, der ersten deutschen Frau mit medizinischem Staatsexamen. Die zum einen als historische Figur hervorragend in Makatschs Portfolio passt (zuletzt war sie als Hilde Knef und Margarethe Steiff zu sehen) und zum anderen mit dem zwar historisch verbürgten, aber darum nicht weniger pathetischen Vornamen Hope auch Pilcher-gestählte ZDF-Zuschauer vom Wohnstuben-Sofa abholt. "Dr. Hope - Eine Frau gibt nicht auf" - wer ahnt schon Emanzipation, wenn er diesen Titel liest? Tatsächlich ist es ein Unterhaltungswohlfühlkostümfilm geworden. Der Zweiteiler eilt in Mehrjahressprüngen durch das Leben der Hope, Jahrgang 1855, die 1876 in Leipzig ein Medizinstudium beginnt. Ungewöhnlich in einer Zeit, in der Mütter ihren Töchtern aus heutiger Sicht unfreiwillig komische Sätze wie diesen mit auf den Weg geben: "Die Ehe ist eine gute Sache, Hope. Sie nimmt das flatterhafte Herz in die Pflicht, daran kannst du dich auch in schweren Stunden halten."

Als Zuschauer hat man nicht immer etwas, woran das flatterhafte Herz, das die Hand gelegentlich zur Fernbedienung drängt, sich halten kann. Schuld sind weniger Darsteller und Stoff, sondern meist die Maske. Erst altert Dr. Hope gar nicht, dann wiederum wirkt sie so theatralisch alt geschminkt, dass man unwillkürlich an die Gratispostkarte und den aufgeklebten Schnurrbart denken muss.

Auch Heike Makatsch, im echten Leben 39 und selbst nach zwei Kindern noch zierlich wie ein Mädchen, ist als 16-Jährige glaubhafter denn als 60-Jährige.

Davon abgesehen ist die Figur der Hope Bridges Adams tatsächlich interessant. Sie war mit Clara Zetkin befreundet, sie hat August Bebel getroffen und sich in den glühenden Sozialisten Carl Lehmann verliebt. Sie bricht nachts in die Anatomie ein, um zu erfahren, was man als Mediziner so wissen muss, sie setzt sich - später - für legale Abtreibungen ein, sie schreibt einen Hygiene-Bestseller für Frauen. Sie interessiert sich mehr für Tuberkulose-Heilung als für Konventionen.

Und für ihren Vornamen kann ja weder sie noch Heike Makatsch noch das ZDF etwas. Allerdings auch nicht die Historikerin Marita Krauss, die ein Sachbuch über Hope Bridges Adams Lehmann geschrieben und kürzlich den Drehbuchautoren Ideendiebstahl vorgeworfen hatte. Der Streit um die Rechte wurde rechtzeitig zum Ausstrahlungstermin beigelegt, Marita Krauss erhielt als "Anerkenntnis" für ihre "wissenschaftliche und publizistische Leistung" 15 000 Euro.

Das Ensemble macht seine Sache durchweg sehr gut, neben Makatsch, die zu Recht längst als Schauspielerin und nicht als Ex-Girlie wahrgenommen wird, spielen unter anderem die Ex-Thalia-Schauspieler Justus von Dohnányi und Martin Feifel sowie Inka Friedrich, August Zirner und in einem Mini-Auftritt Katharina Böhm. Die Inszenierung von Martin Enlen bisweilen etwas bieder, aber anständig.

Heike Makatsch selbst, die in den Interviews zum Film natürlich auch zum Thema Feminismus Stellung beziehen sollte, hat übrigens kaum Diskriminierungserfahrungen gemacht, sagt sie. Nur als Schachpartnerin in ihrem Lieblingsurlaubsort, da sei es schon "auffällig, wie sich manche Männer davor gedrückt haben, mit mir zu spielen". Wenn das alles ist, muss man wohl auch der Emanzipationsvorreiterin Hope Adams dankbar sein. Liest man dieser Tage indes Frauenzeitschriften mit Anleitungen zum Osterkarottenhäkeln (kein Scherz), glaubt man zu verstehen, warum nach Hope Adams in München nur eine kleine Sackgasse benannt wurde. Aber das ist natürlich ein sehr ungerechter Gedanke und bestimmt dem viel zu flatterhaften Herzen geschuldet.

Zweiteiler: Dr. Hope - Eine Frau gibt nicht auf. Teil 1, 20.15 ZDF