Das Leben in der französischen Provinz ist ein langer, ruhiger Fluss. Wäre da nicht der Dorfbriefträger François, der während des alljährlichen Schützenfests außer Rand und Band gerät. Zu den Attraktionen der Kirmes gehört nämlich ein Wanderkino, das einen Film über die amerikanische Postzustellung zeigt. François fühlt sich vom Tempo seiner US-Kollegen derart herausgefordert, dass die Dorfbewohner bald einen völlig entfesselten Postboten erleben. Da die Geschwindigkeit der Zustellung leider in keinem Verhältnis zur Effektivität steht, landet der ungestüme Held, der auf seinem klapprigen Fahrrad selbst die Tour-de-France-Profis hinter sich gelassen hat, - im wahrsten Sinne - in einem langen, ruhigen Fluss.

Tati ist kein Clown, auch wenn er im "Schützenfest" pantomimische und gestische Elemente der Komik nur so abfeuert. Tati ist eher eine Art Katalysator, der Situationen provoziert oder auch nur nachspürt, die uns beweisen, dass das ganze Leben komisch sein kann. Bei ihm entstehen die Pointen und Gags fast übergangslos aus Momenten idyllischer Ruhe. Der Wechsel von ganz alltäglichen zu völlig aberwitzigen Situationen, das Oszillieren zwischen der Normalität und der Absurdität des Daseins ist dabei kaum zu bemerken und lässt diese unverkrampfte, aggressionslose Form der Filmkomik entstehen, durch die Tati weltberühmt wurde. Tatis liebenswürdiger Postbote muss sich stellvertretend für uns mit den Errungenschaften der modernen Zivilisation abplagen, mit einem Arbeits- und Lebenstempo, das sich zunehmend als gnadenlos und inhuman entpuppt. Schlaksig, doch zugleich mit erstaunlicher Grazie in seinen Bewegungen, durchstreift er diese Welt der Automatisierung, der Selbstsucht und der Ausbeutung, ohne tatsächlich an ihr Anteil zu nehmen. Ein ebenso zärtliches wie poetisches Meisterwerk.

Tatis Schützenfest Frankreich 1947/1995, 79 Minuten, ab 6 Jahren, R: Jacques Tati D: Tati, Guy Decomble, Paul Frankeur und die Einwohner von Sainte-Sévère; im 3001, Abaton, Alabama