Mit Kurzlesungen Hamburger Autoren wurde die Idee geboren, die jetzt auch mit Musik bestens funktioniert. Pünktlich immer dienstags um 21.21 Uhr.

Hamburg. Welcher Pop-Fan kennt das nicht: Eine Band wird in Magazinen und Online-Foren hochgejubelt. Auf MySpace und CD klingt der Sound griffig und inspiriert. Ein Ticket wird gekauft - für 20 Euro, meist mehr. Aber dann, auf dem Konzert, will er einfach nicht überspringen, der Funke. Es fehlt etwas. Charisma, Können, Chemie. Den restlichen Abend heißt es hoffen, dass sich zumindest noch ein klitzekleines Feuer der Live-Leidenschaft einstellt. Warten. Eine Stunde. Zwei Stunden. Nichts. Die Beine stehen im Bauch. Das investierte Geld ist bereits in Kinokarten und Restaurantbesuch umgerechnet.

In der nächsten Woche trifft der Pop-Fan einen Freund, der ihm von dieser neuen heißen Band erzählt, die jetzt auf Tour kommt. Genervt winkt der ab - und verpasst das Konzert des Jahres.

Wie praktisch, dass sich nun mit dem Musik-Quickie ein Format etabliert hat, das ohne Eintritt einen knackigen Eindruck von den Live-Qualitäten eines Künstlers vermittelt. Seit November 2009 laden der Hamburger Gunter Gerlach, Marke "verschmitzter Autor", und Siebeth, Typ "geselliger Musiker", jeden Dienstag zum "kürzesten Konzert der Welt" in der Kneipe "Feldstern" in der Schanze. "Wir verstehen uns als Appetizer, als netten Happen", erklärt Siebeth.

Drei Songs. Reduziert. Akustisch. "Ein kurzer, intensiver Moment."

Ist das nicht zu wenig, um die Eitelkeit der Musiker zu befriedigen, die ihr Schaffen möglichst ausschweifend zu Gehör bringen wollen? "Als Entschädigung bekommen sie konzentrierte Aufmerksamkeit", sagt Siebeth. Gerlach und er haben ihr Publikum gut erzogen. Start ist um 21.21 Uhr. Pünktlich. Anders als beim Warten auf Rock 'n' Roll, wenn ein auf acht Uhr angesetztes Konzert erst um elf anfängt. "Ihr könnt noch schnell Getränke bestellen", moderiert Gerlach, "während des Vortrags ist das verboten." Gespräche ebenso.

Und tatsächlich: Die Plaudereien in dem rustikalen Ambiente aus Backstein und Holz verstummen, als an diesem Abend die Hamburger Indie-Kombo Misses Next Match aufspielt. Verknappung ist System beim Musik-Quickie. Und so sieht das Konzept eigentlich nur einen Künstler pro Auftritt vor. Aber Gerlach und Siebeth drücken ein Auge zu. Deshalb bearbeitet Dennis auf einem Sofa hockend die Percussion-Instrumente, Manuel bewegt Akustik-Gitarre und Rassel am linken Fuß, während Michel Weisheiten in Gesang packt: "Wer neu ist im Fight Club, muss kämpfen."

Ein harter Kampf war der Mini-Gig für die Quickie-Debütanten allerdings nicht. Um 21.45 Uhr ist Schluss. Satter Applaus. Rufe nach Zugabe? "Haben wir denen abgewöhnt", sagt Gerlach.

Insgesamt 51,50 Euro geben die 45 Gäste ins Spenden-Säckchen, mit dem Gerlach um die Tische zieht. Bei der Schwester-Veranstaltung, dem Literatur-Quickie, der seit fast drei Jahren im 439 in der Vereinsstraße über die Bar-Bühne geht, gäbe es mehr Zuhörer, aber weniger Geld, bilanziert Gerlach. Die Stammgäste seien eben nach mehr als 100 Kneipen-Lesungen besonders kritisch geworden.

Mit Siebeth fand der Autor 2009 einen Partner, der das Konzept in den Musik-Bereich transportiert. Der akquirierte als Entdecker, Förderer, Fan und Genießer in Personalunion bereits Kollegen von Chanson bis Country, vom Britpopper Duncan Townsend bis zum Folkbarden Nils Koppruch. Zu den künftigen Quickie-Kandidaten zählen Richard von der Schulenburg (23.3.), Catharina Boutari (30.3.) und Regy Clasen (18.5.).

"Der Künstler muss sofort 100 Prozent da sein und kann das Publikum nicht erst langsam für sich gewinnen", erklärt Gerlach. Warmspielen ist also nur etwas für Schwächlinge. Eine Herausforderung, der sich auch Anna Depenbusch bewusst ist. "Der sportliche Aspekt gefällt mir. Schnell starten, schneller Höhepunkt, schnell nach Hause bringen", sagt die Musikerin, die sich am 4. Mai als 25. Quickie-Künstlerin in Kürze üben wird.

"Die Atmosphäre hat so einen schönen Stammtisch-Charakter", schwärmt sie. "Und wenn die Band nicht gefällt, sind es ja nur drei Stücke." Pragmatismus, der im besten Fall zu Poesie wird.

Gerlach denkt die Idee bereits für Theater und Kunst weiter. Zunächst liegt aber ein Musik-Quickie-Festival im Knust an. Eine lange Nacht mit vielen kurzen Auftritten. Der Eintritt ist wie immer frei. "Kein Druck also", sagt Gerlach, "das gut zu finden."

Feldstern, Sternstr. 2, dienstags, 21.21 Uhr. Heute abend: das Acoustic-Pop-Trio Falco. Info: www.musik-quickie.de