Reto Nickler hat die musikalisch farbenreiche Oper des britischen Starkomponisten Adès nach dem Libretto von Meredith Oakes klug inszeniert.

Lübeck. Künstlerpech, Lübeck: Den Lorbeerkranz mit dem Schriftzug "Deutsche Erstaufführung" konnte die Intendanz des Hauses nicht mehr am Fahnenmast hochziehen. Die Oper Frankfurt war acht Wochen schneller und brachte Thomas Adès' Shakespeare-Adaption "The Tempest" schon diesen Januar heraus. Dafür hat Reto Nickler die musikalisch farbenreiche und süffige, zudem leicht verständliche Oper des britischen Starkomponisten Adès (39) nach dem Libretto von Meredith Oakes so klug und verspielt inszeniert, dass man am liebsten sofort auf Wiederholung stellen würde, wenn der herrliche Zauberer- und Luftgeistspuk nach gut zweieinhalb Stunden vorüber ist.

Hartmut Schörghofer hat in das Theaterrund einen Strand gebaut, der wie ein sehr flacher Wok als Spielfläche vor einer Touri-Apartmentanlage liegt. Dort landet der ramponierte neapolitanische Hofstaat an, schiffbrüchig nach dem von Prospero angezettelten Sturm. Der Zaubererkönig (stimmgewaltig: Gerard Quinn) will hier an den Neapolitanern und an seinem Bruder Rache nehmen, die ihn vor zwölf Jahren entmachtet hatten.

Sein größter Helfer war schon Shakespeares größter Trumpf und ist es auch hier: Ariel, der Luftgeist, glänzend gespielt und toll gesungen von Louise Fribo. Adès verlangt der Partie die unwahrscheinlichsten Tonketten im Pfeifregister ab, der höchsten möglichen Stimmlage. Man bangt, dass der Sängerin die Töne wegbleiben könnten, doch Fribo meistert den Ariel, als unterlägen weder sie noch ihre Stimmbänder der Schwerkraft.

Ihr Mitleidswerben bei Prospero um das Liebespaar Miranda und Ferdinand und die ganze desolate, von Mücken zerstochene königliche Reisegesellschaft ist musikalisch unverschämt schön. Adès gönnt Ariel die letzten Töne, bei Nickler entpuppt sich der Luftgeist vom Prospero trotzig gehorsamen Schulkind gar in einen wildlockigen Vamp im roten Kleid (Kostüme: Corinna Crome).

Das Orchester (Leitung: Philippe Bach) spielt hinter der Bühne, dadurch rückt das Geschehen dem Publikum noch näher. Bei der Premiere am vergangenen Freitag sang für den indisponierten Patrick Busert Christopher Lemmings die Partie des Caliban, doch spielen konnte Busert den von Prospero kujonierten Eingeborenen mit Irokesenschnitt und Hawaiihemd. Das Ensemble ist stimmlich durchweg stark und spielfreudig - auch der Chor, der sich Ariels in entzückende Ruck-choreografien übersetzten Verzauberungen mit sichtlichem Vergnügen unterwirft.