“Ajami“ wurde in Cannes prämiert und war für einen Oscar nominiert.

Hamburg. Nicht nur Michael Hanekes "Das weiße Band", auch der mitfavorisierte israelisch-arabische Beitrag "Ajami" ging beim Oscar-Rennen um den besten ausländischen Film am vergangenen Sonntag leer aus. "Ajami" holte in Cannes den Preis für den besten Debütfilm und errang fünf Ophirs der Israelischen Film-Akademie. Der Oscar hätte dem von Scandar Copti und Yaron Shani gedrehten Film nochmals weltweite Aufmerksamkeit beschert. "Ajami" wirft einen fast dokumentarischen Blick auf die gewalttätigen Konflikte zwischen Juden, Arabern und Christen in Israel.

"Ajami" ist ein neues Beispiel für junges Kino aus Israel, das sich zunehmend kritisch mit Geschichte und Gegenwart des zionistischen Staates beschäftigt. Andere preisgekrönte Filme waren "Waltz für Bashir" von Ari Folman, der als Comic das Trauma eines israelischen Soldaten beschreibt, der das Massaker von Sabra und Schatila 1982 miterlebt hat. Damals wurden 3000 Palästinenser von christlichen Falangisten unter den Augen von Israels Armee ermordet. Oder "Beaufort" von Joseph Cedar, der die sinnlose Besatzung eines Forts an der Grenze zum Libanon thematisiert und 2007 den Silbernen Bären der Berlinale gewann. Oder der letztjährige Venedig-Gewinner "Lebanon" von Samuel Maoz, der auf klaustrophobe Art den Einsatz einer Panzerbesatzung erzählt, die im Libanonkrieg ein Dorf von PLO-Terroristen säubern soll.

Um Krieg geht es auch in "Ajami". Aber hier spielt er auf den Straßen von Jaffa, im Stadtteil Ajami. Ausgelöst wird er nicht aus religiösen oder politischen Gründen, Kriminalität ist die Wurzel dieser Gewalt.

"Ajami" ist die erste israelisch-palästinensische Zusammenarbeit. Als der jüdische Filmstudent Yaron Shani die Idee für den Film hatte, war ihm schnell klar, dass er sein Projekt nur mithilfe eines palästinensischen Kollegen realisieren könne. Er fand den Filmemacher Scandar Copti, der aus Ajami stammte, und schrieb mit ihm das Drehbuch. Sieben Jahre brauchten sie, um den Film zu finanzieren, 23 Tage wurde gedreht, 14 Monate dauerte die Postproduktion, bis "Ajami" in Cannes seine Uraufführung erlebte.

Die Geschichte beginnt mit der irrtümlichen Erschießung eines Jungen in Zusammenhang mit einer Blutfehde zweier Klans. In der Folge wird eine Spirale der Gewalt gezeigt, in der es um Schutzgelderpressung und Blutrache geht und die Hauptpersonen falsche Entscheidungen mit verheerenden Folgen treffen.

"Der Film hat sowohl einen palästinensischen als auch einen israelischen Protagonisten", erklärt Koregisseur Scandar Copti. "Es geht nicht um Gut gegen Böse. Er zeigt ihr Leben aus ihrer jeweiligen Perspektive, ohne zu werten. Das gab es vorher im israelischen Kino nicht."

Ungewöhnlich war die Methode, mit der Shani und Copti vorgingen. Es wurde chronologisch gedreht, viele der Darsteller sind Laien aus dem Viertel, und sie mussten improvisieren. "Wir haben die Schauspieler in reale Situationen geworfen, sie mussten spontan reagieren - wie im echten Leben", beschreibt Copti die Vorgehensweise. So erreicht "Ajami" geradezu dokumentarische Qualität. Die Erschießungsszene des 15-Jährigen am Anfang des Films wurde dort gedreht, wo der Mord an dem Jungen tatsächlich stattgefunden hat - vor den Augen vieler Betroffener. Kino bekommt hier völlig neue Authentizität.

Obwohl "Ajami" auch in Israel von der Kritik einhellig gelobt wurde, besitzt der Film eine Menge Konfliktpotenzial. Kurz vor der Oscar-Verleihung kündigte Scandar Copti an, nicht nach Los Angeles zu reisen, weil er Israel nicht repräsentieren möchte. "Israel möchte der Welt zeigen, dass es ein multikultureller Staat ist, der allen gleiche Rechte gibt. Aber als palästinensischer Bürger habe ich nicht die gleichen Rechte", sagte er.

Es scheint, als würde die israelisch-arabische Zusammenarbeit ein singuläres Ereignis bleiben. Doch "Ajami" eröffnet eine neue Perspektive auf dieses konfliktbeladene Land.

"Ajami" läuft im 3001 (OmU) und im Zeise-Kino.