Gangstern bei der Arbeit zuzuschauen ist im Kino heute meist ein launiges Vergnügen mit viel Krach und Getöse.

Gangstern bei der Arbeit zuzuschauen ist im Kino heute meist ein launiges Vergnügen mit viel Krach und Getöse. Mit welcher erzählerischen Kraft sich das europäische Kino diesem Genre nähert, beweist Jacques Audiards "Ein Prophet". Der Film funktioniert auf mehreren Ebenen, vor allem auch deshalb, weil nicht nur die Guten am Ende die Bösen besiegen, sondern der Protagonist eine beachtliche Entwicklung durchläuft. Gleichzeitig ist es ein Film über Freundschaft, Lebensgier und Schuld. Die Knast-Parabel hat nach dem Sieg in Cannes ein stolzes Preisregister vorzuweisen. Zuletzt kam mit neun Césars noch die höchste französische Auszeichnung hinzu. Zum Propheten wird der junge Malik El Djebena (Tahar Rahim). Zunächst landet er jedoch als unbeschriebenes Blatt für sechs Jahre im Gefängnis. Er hat nichts, keine Eltern, keine Religion, keine definierte Identität und er kann noch nicht einmal schreiben. Die Opferkarriere in der Gefängnishierarchie scheint vorgezeichnet.

Doch in einem schleichenden Prozess, der Malik auch eine traumatisierende entsetzliche Tat aufbürdet, wird er zum Teil des Paralleluniversums Knast, das schon immer seine eigenen Regeln aufwies. Wo bei den klar nach ethnischer Zugehörigkeit abgezirkelten Hofgangscliquen unter den wachsamen Augen des "Paten" César Luciani (Niels Arestrup) niemand parteilos bleiben kann.

Über die Jahre findet Malik seinen Weg in diesem Labyrinth. Erschleicht sich das Vertrauen des Paten, steigt auf, geht sogar zur Schule. Als er Ausgang bekommt, erkennt er, dass jeder Insasse selbst die Grenzen zwischen innen und außen setzt. Kurzerhand dreht er den Spieß um.

Die erwartbare Grausamkeit löst dieser Film schon auf den ersten Metern ein. Das führt dazu, dass man unweigerlich in Habacht-Stellung im Sessel verharrt. Schnell identifiziert sich der Zuschauer mit der Hauptfigur und hofft, dass sie nur irgendwie heil da durchkommt. Durchkreuzt wird die karge Knastrealität von Halluzinationen, die Malik ungebremst heimsuchen. Wer nach so viel Psychologie irgendwann ein paar echte Gangsterscharmützel erwartet, bekommt sie auch.

Ein Prophet F 2009, 150 Minuten, ab 16 Jahre, R: Jacques Audiard, D: Tahar Rahim, täglich im Holi; www.un-prophete-lefilm.com

Bewertung: sehenswert