Hamburg. Krystian Zimerman ist der Aristokrat unter den großen Pianisten unserer Zeit. Schon seine Erscheinung hat etwas vom Gentleman alter Schule: perfekt gestutzter, weißer Vollbart und eine Haltung, als wäre er im Frack auf die Welt gekommen. Ganz aus diesem Geist war auch der Chopin-Abend, den der polnische Pianist am Freitag in der Laeiszhalle gab. Anspruchsvoll und durchaus eigenwillig, aber niemals exzentrisch; das Programm genau kalkuliert und doch nie auf Effekt berechnet.

Zimerman gilt als Geschichtenerzähler am Klavier und wurde diesem Ruf voll gerecht. Es ist offenbar gerade die rhapsodisch übersprudelnde, von überkommenen Formschemata kaum mehr gebändigte Fabulierlust Chopins, die ihn vor allem interessiert. Auf engstem Raum lösen sich da in schneller Folge die unterschiedlichsten Ideen ab. Am ohrenfälligsten wurde dies am Anfang des b-Moll-Scherzos op. 31, wo Zimerman die einzelnen Bruchstücke so scharf profiliert gegeneinanderstellte, als wäre es ein Stück neue Musik.

Am besten ging dieses Konzept in Chopins nur äußerlich klassischen, überbordenden zweiten Sonate h-Moll auf. Hier steigerte sich in den schnellen Sätzen der Gestaltenreichtum zu einem wahren Piano-Taumel, bei dem man hörend kaum mehr hinterherkam. Das Largo wiederum hob sich von dieser zerklüfteten Landschaft dann wie eine weite Ebene der Ruhe ab.

Chopins erste Sonate b-Moll mit ihren klar abgegrenzten Themenblöcken nach klassischem Muster gelang dagegen nicht ganz so überzeugend. Auch hier gab es immer wieder wunderbare Momente wie die vielfachen Schattierungen des Forte, die Zimerman wie kein Zweiter beherrscht. Aber er erlaubte sich auch Momente der Nervosität - zum Beispiel einen kurzen Aussetzer im Scherzo.

Vornehme Zurückhaltung war die Wahl des letzten Programmpunktes. Statt eines plebejisch-applausheischenden Finale furioso ließ Zimerman die Erregungskurve nach der h-Moll-Sonate mit der noblen Barkarolle Fis-Dur sanft abfallen. Als Geste der Höflichkeit noch ein Stück pianistisches Edel-Konfekt als Zugabe, und dann war Schluss. Noblesse oblige.