Hamburg. Alle reden vom Niedergang der klassischen Musik (auch wir, auf Seite 3), von der Notwendigkeit, sich dem Publikum zuzuwenden und Barrieren abzubauen. Das Bucerius-Kunst-Forum hat diesen Weg in aller Gelassenheit schon längst beschritten. Es kann gar nicht anders, möchte man anfügen.

Denn im kleinen Ian-Karan-Auditorium kommen Publikum und Ausführende einander unweigerlich nah. Welch gut gelaunte Atmosphäre auf höchstem Niveau dabei herauskommt, konnte man gerade bei dem argentinisch-spanisch-ungarisch-italienischen Ensemble "The Rare Fruits Council" erleben. Unter der Überschrift "Klingende Bilder" lieferten die Musiker einen sprühenden Beitrag zu der Ausstellung "Täuschend echt", die gerade im Forum zu sehen ist.

Manfredo Kraemer, Erster Geiger und Spiritus Rector der Gruppe, führte das Publikum mit rollendem "R" und hemdsärmeligem Charme ins 17. Jahrhundert und mitten hinein in die für die Barockzeit so typische Kultur der Sinnestäuschungen. Verwechslungsspiele waren ein beliebtes Freizeitvergnügen; noch die gravitätischste Opera seria würzte man mit derlei Buffo-Elementen.

Aber auch die Instrumentalmusik mischte kräftig mit. Die berühmtesten Komponisten ihrer Zeit, unter ihnen Heinrich Ignaz Franz Biber und Johann Valentin Meder, ließen ganze Bauernkohorten palavern, Frösche quaken, Hennen gackern und Katzen miauen. Es rasselten die Trommeln und ächzten die Verwundeten - alles kongenial und mit sichtlichem Vergnügen nachgeahmt von Streichern und Cembalo.

Und während sich der Hörer noch kichernd wunderte über so viel kompositorische Inspiration, bemerkte Kraemer lakonisch, es handele sich um "Katalogmusik": Der Pater Athanasius Kircher habe seinerzeit aufgeschrieben, wie man solche Effekte erreiche.

So pragmatisch die alten Meister sich bei Kircher bedienten, so kunstvoll flochten sie zwischen diese prallen Alltagsschilderungen grazile Tanzsätze. Da zeigten die Musiker, wie selbstverständlich ihnen die raffinierten Gestaltungsmittel der Epoche zur Verfügung stehen, vom Raffen und Dehnen der Zeit bis zu beiläufig-virtuosen Verzierungen.

Wenn mal ein Akkord nicht blitzsauber war, störte das nicht, weil das intonatorische Grundgerüst so solide war. Und die Materialgeräusche gehörten einfach dazu. Am Schluss zog man aus und spielte dabei absichtlich so schräg und ungenau wie eine Bauernkapelle.

Wer immer sich die unseligen Kategorien "E" und "U" ausgedacht hat: Im 17. Jahrhundert kann er nicht gelebt haben.