Die Dokumentation “Wiegenlieder“ versucht, allgemeingültige Aussagen zum Thema Kindheit zu treffen, schießt aber über das Ziel hinaus.

Schlaflieder - sie zeugen davon, dass ein Kind nicht allein ist, dass sich jemand um den Nachwuchs kümmert, dass er geborgen ist. Darüber hinaus verweisen Wiegenlieder auf kulturelle Traditionen und Formeln, die durch Kindersprache und regionale Mundarten geprägt sind. Genug Stoff also für einen Dokumentarfilm, doch die Filmemacher Tamara Trampe und Johann Feindt ("Weiße Raben - Albtraum Tschetschenien") haben keine musikhistorische Spurensuche im Sinn. Ihnen geht es darum, allgemeingültige Aussagen über die Kindheit zu treffen, über Einsamkeit und Ausgrenzung, über Heimat und Fremde, über Krieg und Gehörlosigkeit.

Allein diese Aufzählung deutet darauf hin, wie sehr der Film unter der Schwere seiner Bedeutung ächzt, zumal die Autoren ihre Themen eher zufällig und unbestimmt, fast schon beliebig anordnen.

Trampe bittet Passanten auf der Straße, ein Wiegenlied vorzusingen "Können Sie sich an ein Lied erinnern, das Ihre Mutter Ihnen zum Schlafengehen gesungen hat?" Das ist mal mehr, mal weniger geglückt, doch der angedeutete Umkehrschluss - wer keine Schlaflieder kennt, hat eine schlimme Kindheit gehabt - geht dann doch zu weit. Neben diesen Zufallsbegegnungen, die auch immer wieder Anlass sind, Berlin ins rechte Licht zu rücken, konzentriert sich der Film auf wenige Protagonisten. Da ist der Komponist, dessen Eltern taubstumm sind. Wiegenlieder hat er darum nie kennengelernt. Ein Gesprächspartner, im Gefängnis geboren, wuchs in einer Pflegefamilie auf. Dort wurde nicht einmal sein Geburtstag gefeiert. Nicht zu vergessen der Flüchtling aus Grosny, der von einer glücklichen Kindheit berichtet, aber nun im Exil in Berlin lebt. Eigentlich spannende Geschichten, doch Trampe rückt den Menschen mit suggestiv gestellten, manchmal auch sehr indiskreten Fragen viel zu direkt und zu beharrlich auf die Pelle oder schneidet ihnen ungeduldig das Wort ab. Fast so, als sollten vorgefasste Meinungen bestätigt werden.

+++-- Wiegenlieder D 2008, 98 Min., o. A., R: Tamara Trampe, Johann Feindt, im 3001; Internet: www.ventura-film.de