Wie die Stiftung Musikleben ihren Stipendiaten den Abschied von wertvollen alten Instrumenten erleichtert.

Hamburg. Da liegt sie auf einer Samtdecke neben ihren Schwestern: Sie hat einen Korpus, einen Hals, eine Schnecke und vier Saiten von C bis A wie die anderen Bratschen, sie ist sogar einen Zentimeter größer - aber ist sie das Baby in der Runde. Der Zettel innen auf dem Bratschenboden lautet "Haiko Seifert, Plauen 2010".

Zum ersten Mal hat die Deutsche Stiftung Musikleben einen Neubau in Auftrag gegeben. Traditionell fördert sie hochbegabte junge Musiker, indem sie ihnen kostbare alte Instrumente vom Rang eine Stradivari, Guarneri del Gesù oder Amati leiht. Dafür qualifizieren sich die Musiker beim Wettbewerb des Deutschen Musikinstrumentenfonds, der dieses Wochenende wie jedes Jahr im Museum für Kunst und Gewerbe stattfindet.

Aber auch der begabteste Nachwuchsmusiker wird einmal 30, und dann muss er sein Instrument zurückgeben, damit ein Jüngerer die Chance bekommt, darauf zu spielen. Diesen Abschied wollte die Stiftung einem ihrer Stipendiaten erleichtern.

"Mein Cello hat bestimmt mit 40, 50 Cellisten gelebt. Es hat Lebenserfahrung und Weisheit wie ein alter Mensch. Dadurch ist es klanglich sehr flexibel und farbenreich", sagt Nicolas Altstaedt. Seit acht Jahren spielt er auf einem Cello von Nicolas Lupot aus dem Jahre 1821. Und er hat, wie viele Stipendiaten, eine innige Beziehung zu seinem Instrument entwickelt: "Mit dem Cello habe ich die ersten Debüts mit Orchester gespielt und die ersten großen Reisen gemacht."

Zwei Jahre hat er noch. Aber was kommt dann? Den sechs- oder eher siebenstelligen Betrag für ein vergleichbares altes Instrument können selbst eingeführte Solisten kaum aus eigener Kraft aufbringen. Wer nicht das Glück hat, andere Gönner zu finden, dem bleibt nur die Suche nach bezahlbaren Alternativen.

Altstaedt ist skeptisch: "Die Reife eines alten Instruments kann ein neugeborenes Instrument nicht haben, selbst wenn es eine herausragende Arbeit ist. Es ist noch ganz unschuldig, es hat keine Ecken und Kanten." Ein neues Instrument muss aber keine Verlegenheitslösung sein. Selbst Weltstars wie der Geiger Christian Tetzlaff oder die Bratscherin Tabea Zimmermann spielen Instrumente, die jünger sind als sie selbst - aus Überzeugung. "Es gibt hervorragende neue Instrumente", sagt auch die Geigerin Agata Szymczemska, die eine Stiftungs-Stradivari spielt. "Wenn der Richtige darauf spielt, kann ich keinen Unterschied hören."

Um den Musikern den Umstieg zu erleichtern, ist die Stiftung auf die Idee verfallen, ihnen in den letzten beiden Jahren zum alten Instrument ein neues dazuzugeben. "Dann können sie sich schon einmal damit beschäftigen", sagt Irene Schulte-Hillen, die Präsidentin der Stiftung. "Viele verdrängen nämlich den Gedanken an den Abschied."

Ob sich das Modell bewährt, wird die Praxis zeigen. "Wir nehmen in Kauf, zu scheitern", sagt Schulte-Hillen. Haiko Seiferts Bratsche wird jedenfalls nicht zum Präzedenzfall: Weil so viele Bratscher gerne ein Instrument in dieser Größe hätten, hat die Stiftung kurzerhand umgeplant: Die Bratsche wird nicht als Zweitinstrument verliehen, sondern im normalen Wettbewerb vergeben.

18. Wettbewerb des Deutschen Musikinstrumentenfonds heute, Sa und So jeweils ab 9 Uhr im Museum für Kunst und Gewerbe. Eintritt frei