Hamburg. Eine Trauergesellschaft zieht still über einen Frankfurter Friedhof. Nur vier Männer erzählen sich auf dem Weg einen alten Witz: Sagt eine Frau zur anderen: "Mein Mann ist gestorben." "Woran denn?", fragt die andere zurück. "An einer Erkältung." "Gott sei Dank nichts Ernstes!"

Lebensweisheit und Absurdität verschmelzen im jüdischen Witz. Dieses Amalgam ist der Stoff, aus dem der Roman "Die Teilacher" von Michel Bergmann gemacht ist. Dem Hamburger Drehbuchautor ist ein slapsticksprühendes Debüt gelungen, bildstark und lakonisch zugleich.

Die Teilacher, die da ihren alten Freund und Kollegen David Bermann beerdigen, sind jüdische Handelsvertreter. Schon der erklärungsbedürftige Titel weist darauf hin: Wir begeben uns in eine fremde Welt.

1972 bei Bermanns Beerdigung hört sein Ziehsohn Alfred die Geschichten der Teilacher, nachher räumt er Bermanns Zimmer im Altersheim aus. Der Chor jüdischer Schicksale, auf den Alfred während seiner Spurensuche trifft, bildet den Kern des Buchs.

Aus diesem Blickwinkel erzählt Bergmann von den Jahren unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg. Ein Teilacher war Fremdenlegionär in Afrika, einer im Shanghaier Getto, keine Lagerkarriere gleicht der anderen. Keiner ist freiwillig nach Deutschland zurückgekommen. Und dauerhaft bleiben wollte schon gar keiner von ihnen.

Aber genau das tun sie: Sie wursteln sich durch im Land der Peiniger, sie klingeln sich mit ihrer Ware durch das zerstörte Frankfurt und begegnen an den Haustüren den alten Ressentiments, vorgebracht in aller Unbefangenheit und auf Hessisch.

Virtuos setzt der Autor, selbst mit Jiddisch aufgewachsen, die kauzige Sprache der Teilacher ein - schade nur, dass ein Glossar fehlt. Die Milieuschilderungen sind so präzise und sinnlich, dass man die verdruckste Enge dieser Zeit glaubt anfassen zu können. Es gehört zu den Stärken des Romans, wie unaufdringlich er die Traumatisierung der Überlebenden zeigt. Ein Wort, eine Melodie, eine Farbe kann sie in die Hölle zurückversetzen und ihnen die Sprache rauben.

Auf die Dauer geraten die Lebensläufe, so temporeich die Dialoge und so komisch viele Begebenheiten auch sind, etwas enzyklopädisch. Manchmal hängt der Spannungsbogen, die Pointe ist abzusehen. Auch bräuchte Bergmann seine Beobachtungen nicht eigens zu erläutern. Sie sprechen für sich. Etwa der Besuch bei Frau Hentrich in Oberursel. Die fragt einen Teilacher nach dem "Dokter Morgenstern aus der Bahnhofstraß": "Ich dachte, die Juden kenne sich all untereinander." Und der erwidert, das sei gut möglich. Bei den wenigen, die es noch gebe.

Lesung "Die Teilacher": So 28.2, 11 bis 22 Uhr, div. Leser, Kultwerk West, Kleine Freiheit 42, Eintritt 3,-

Michel Bergmann: Die Teilacher. Arche-Verlag, 288 Seiten, 19,90 Euro.