Hamburg. "Wo sind die Lackstiefel?", ruft eine Frau. Richtige Frage, falsche Veranstaltung. An diesem Abend räkeln sich nicht in Lack und Leder gekleidete Showgirls auf der Bühne des Clubs Safari. Attwenger ist zu Gast. Das ist keine Pornotruppe von der Alm, sondern ein Musikantenduo aus Oberösterreich, das zur Neuen Volksmusik gezählt wird und sogar die britische Radio-DJ-Legende John Peel zu Begeisterungsstürmen hingerissen hat.

Die beiden kommen im Trainingszeug auf die Bühne, Schlagzeuger Markus Binder in kurzen, Akkordeonist Hans-Peter Falkner in langen Hosen. In das Ambiente des plüschigen Sexklubs passen sie so gar nicht, bei ihren etwas abgerissenen luftigen Outfits denkt man eher an sommerliche Feldarbeit.

Attwenger ist auf Einladung der Elbphilharmonie nach Hamburg gekommen, zum Akkordeon-Festival, das Intendant Christoph Lieben-Seutter sich ausgedacht hat. Da nur Musik und keine sonstigen Kunststückchen geboten werden, kostet das Glas Wein an diesem Abend auch nur 2,50 Euro, ein Zehntel des normalen Preises im Safari. Doch der Attwenger-Sound hat es in sich.

Binder und Falkner sind laut und virtuos. Wenn Falkner ein Wah-Wah-Pedal für sein Akkordeon einsetzt, erinnern seine Soli an Led Zeppelin, andere Nummern sind ultraschneller Humptata-Punk, es gibt auch Schunkellieder, zu denen man sich vorstellen kann, wie dralle Bedienungen im Dirndl Maßkrüge durch ein Bierzelt balancieren. "Geht's ein bisschen leiser?", fragt ein Zuhörer nahe der Bühne und zeigt mit dem Finger auf sein Ohr. Markus Binder sieht ihn mit einem Fragezeichen im Gesicht an und antwortet: "Schwierig."

Leise gibt es an diesem Abend nicht, lakonisch dagegen sehr. Denn die beiden Musikanten sprechen eine Menge. Das jedoch in aller Langsamkeit und oft in Schleifen. Sie bemühen sich, ihre selbst für Österreicher schwer zu verstehenden Texte ins Hochdeutsche zu übersetzen. Das gelingt nicht immer 1:1, ist aber auch nicht wirklich wichtig. Das meiste ist Nonsens wie das Lied "Bam" (was übersetzt "Baum" heißt ), das von herabfallenden Äpfeln handelt.

Am Ende des Abends ist das Publikum aus dem Häuschen. Die Frau mit den Lackstiefeln kräht jetzt "Zugabe!", und der Rest des Auditoriums klatscht Attwenger mit lautem Beifall für drei weitere Songs auf die Bühne. Bis auf den lautstärkeempfindlichen Zwischenrufer. Der hat den Plüschcklub schon verlassen.