Niemand ist perfekt, und manchmal haben die Gefährdungen der Familienidylle groteske Züge. Zwei Filme über das Modell Familie.

Berlin. Einen Film wie "The Kids Are All Right" sollte jedes Festival im Programm haben. Wenn dann noch Julianne Moore persönlich kommt, um das Werk vorzustellen - umso besser. Nicht nur die Schauspielerin wirkte in ihrem grellgelben Minikleid wie ein hoffnungsvoller Farbtupfer im sterilen Berlinale-Pressesaal; auch der Film, der gestern Abend seine Premiere feierte, hebt sich wohltuend vom restlichen Wettbewerb mit seinen überwiegend düsteren Werken ab.

Klug und witzig erzählt US-Regisseurin Lisa Cholodenko von einer modernen gut situierten Patchworkfamilie um ein lesbisches Paar (Julianne Moore und Annette Bening) mit zwei Teenagern, in die hinein plötzlich ein ungebetener Gast platzt: der Samenspender. Eine anonyme Zahlenabfolge auf einem Stück Papier, die plötzlich ein Gesicht bekommt und einen Platz in der Familie beansprucht.

60 Dollar für einen Becher, so lauteten einst die Vertragsbedingungen - die allerdings nicht die Kinder unterschrieben haben. Und so beschließen Joni und Laser kurzerhand, ihren biologischen Vater ausfindig zu machen. Paul heißt der edle Spender, gespielt wird er von Mark Ruffalo, den man gerade erst in Martin Scorseses "Shutter Island" sehen konnte. Paul mit seinen coolen Macho-Allüren ist nicht gerade der bildungsbürgerliche Müttertraum, aber ein guter Kumpel mit dem Herz am rechten Fleck. Er nimmt Joni auf dem Motorrad mit, bekocht die Familie in seinem Restaurant - und verliebt sich schließlich in die gefühlsverwirrte Jules (Julianne Moore).

Für sie handle der Film davon, wie es ist, lange verheiratet zu sein, sagte Moore auf der Pressekonferenz: "Übers Daten gibt es viele Filme, über langjährige Ehen nicht." "The Kids Are All Right" ist ein wunderbarer Familienfilm in doppelter Hinsicht. Er reflektiert die Bedeutungen des Zusammenlebens und zeigt, was es heißt, den Alltag miteinander zu teilen: die Haare des Partners aus dem Abfluss zu klauben, Kinder zu erziehen und gegenseitig füreinander da zu sein. Es ist ein Film für das breite Kinopublikum, weil Familie letztlich jeden von uns angeht. Und perfekt sind nur die wenigsten.

Familienstrukturen in Auflösung und verlorene Männer - das bleiben auch am siebten Tag die beiden großen Themenkomplexe im diesjährigen Berlinale-Wettbewerb. Auch "Shahada", der mit Spannung erwartete zweite deutsche Beitrag und das Spielfilmdebüt des 29-jährigen Regisseurs Burhan Qurbani, handelt von einer Vater-Tochter-Beziehung, darüber hinaus von Glaubens- und Identitätskrisen. Im Fastenmonat Ramadan werden drei junge Berliner Muslime mit Tatsachen konfrontiert, die nicht sein dürfen: Homosexualität, Schwangerschaftsabbruch und ein Unfall mit tödlichen Folgen. Im Kern verhandelt Qurbani in drei dicht erzählten Episoden modernes muslimisches Leben im Angesicht von Glauben und Tradition. Er wirft die Fragen auf, warum wir handeln, wie wir handeln und warum wir so oft nicht aus unserer Haut herauskönnen.

Wenn "The Kids Are All Right" ein klassischer Sommerfilm ist, mit heiteren Barbecue-Szenen und inszeniert mit großer Leichtigkeit und Wärme, dann braucht "Shahada" die Nacht, um zu seinem Thema zu finden. Vieles spielt sich hier ab in den frühen Morgenstunden, in denen die dunkle Seite der Dinge zum Vorschein kommt - all das, was sonst unter der Oberfläche schlummert.

Die Männerfiguren der Berlinale jedenfalls lassen weiterhin wenig hoffen: klassische Verlierertypen und emotional gestrandete Gestalten, wohin man auch blickt. Wenn man in den Filmen einen Gradmesser für die männliche Befindlichkeit unserer Gesellschaft sehen will - dann muss man sich ernsthaft Sorgen machen. Ex-Sträflinge ("The Hunter", "Der Räuber") und aus der Nervenheilanstalt Entlassene ("Greenberg") sind hier die bevorzugten Protagonisten, allesamt starke Raucher, in den Augen ein nervöses Flackern. Wir sehen Ben Stiller als versehrten Stadtneurotiker und Leonardo DiCaprio als Ex-Cop, der in der Irrenanstalt den Geistern der Vergangenheit begegnet.

Wie gut, dass es eine Frau wie Julianne Moore gibt.