Ein Konzert, das so energiegeladen war, wie man es immer wieder erträumt - aber fast nie erlebt: Nashville Pussy im Hafenklang.

Hamburg. Die letzte S-Bahn? Längst weg. Das frische T-Shirt? Völlig verschwitzt. Und die Ohren? Klingeln, als wäre gerade der neue Airbus im Tiefflug übers Hafenklang gedonnert. Aber was macht das schon bei einem Konzert, das so unglaublich wild, sexy und dreckig ist, wie man es immer wieder erträumt - aber fast nie erlebt. "Ich habe die Zukunft des Rock 'n' Roll gesehen", schrieb mal ein Kritiker über Bruce Springsteen. Das wird über Nashville Pussy nie jemand sagen, aber wozu ans Morgen denken, wenn genau jetzt das Adrenalin durch die Blutbahn knallt? Wenn das Bier spritzt, sich niemand ums Rauchverbot schert und der Vierer aus Atlanta/Georgia einen High-Speed-Rocker nach dem anderen aus den Boxen hämmert? Das ist Rock 'n Roll. Heute. Hier.

Auch wer Songs wie "High As Hell", "Speed Machine" oder "Go Motherfucker Go" noch nie gehört hat, grölt sofort mit. Weil die Refrains so wunderbar simpel sind. Aber auch, weil die ungebremste Energie, die von der Bühne kommt, einfach kein passives Rumstehen zulässt. Wer will sich schon an seiner Astra-Knolle festhalten, wenn er sich auch in den pogenden Mob vor der gerade mal hüfthohen Bühne werfen kann? Dorthin, wo Sänger und Gitarrist Blaine Cartwright sich von Fans Bier in die Kehle schütten lässt - und natürlich dabei weiterspielt. Dorthin, wo seine Frau Ruyter Suys im notdürftig von Sicherheitsnadeln zusammengehaltenen Top zu immer neuen Gitarrensoli ansetzt - und nebenbei tiefe Einblicke gewährt.

"Du spielst wie ein Mann", hat einmal ein Interviewer zu ihr gesagt. "Ja, aber wie ein sehr guter Mann", lautete ihre prompte Antwort. Wohl wahr: Wenn sie auf die Knie fällt, die blonde Mähne in den Nacken wirft und mit verzücktem Gesichtsausdruck zu halsbrecherischen Läufen ansetzt, dann hat das mehr Wucht als all die technischen Kabinettstückchen ihrer männlichen Kollegen. Fast überflüssig zu erwähnen, dass sie den Jack Daniels zwar nicht aus der Flasche, aber in großen Schlucken trinkt.

Nach "Keep On Fuckin'" soll eigentlich Schluss sein, doch weil der Weg zur Garderobe von Fans versperrt ist, bleiben Cartwright, Suys, Bassistin Karen Cuda und Drummer Jeremy Thompson auf der Bühne. Zwei Songs gibt's obendrauf, dann fetzt RuyterSuys plötzlich mit solcher Wucht über die Saiten, dass vier von ihnen reißen. Würde sie ihr Instrument jetzt noch nach alter Pete-Townshend-Manier in alle Einzelteile zerlegen, es käme nicht überraschend.

Sicher, die letzte S-Bahn ist weg, das Taxi wird teuer, und die Klamotten stinken nach Rauch, aber nach so einem Konzert ist das einfach mal egal.