Quetschkommode galore! Das erste Konzert des “Akkordeonist!“-Festivals ging im St.-Pauli-Theater über die Bühne.

Hamburg. Es war eine Heimkehr nach mehr als 70 Jahren. Sein Bandoneón, erzählte der holländische Tango-Nuevo-Meister Carel Kraayenhof im St.-Pauli-Theater beim Auftakt des Festivals "Akkordeonist!" am Sonnabend, stamme aus Deutschland und sei im Gepäck eines Matrosen in den 30er-Jahren von Hamburg nach Buenos Aires emigriert. Dort habe er es erworben, nun bringe er es erstmals wieder hierher. Das Instrument betrank sich unverzüglich an der lang entbehrten Kiez-Luft, und sein Rausch steckte das begleitende Sexteto Canyengue ebenso an wie die Zuhörer.

Das Bandoneón ist tückisch schwer zu spielen, denn es hat keine Tasten, nur Knöpfe, die auf Zug und Druck unterschiedliche Töne produzieren. Dafür entschädigt es mit einer Fülle an Klangnuancen. Die vielen Rippen seines Balgs passen zur Musik: Auch der Tango bewegt sich wie ein vielgliedriges Wirbeltier, gern störrisch und ruckhaft, dabei doch fließend und anmutig.

Weil Kraayenhof den archaischen rhythmischen Drive im Tango liebt und ihm die afrikanischen Wurzeln dieser Kunstform besonders nah sind, heißt sein Hausgott Osvaldo Pugliese. Sein mit zwei Violinen, Klavier, Bass und zwei Bandoneóns besetztes Sextett spielte einige durch ihr Raffinement und ihre Rohheit begeisternde Klassiker Puglieses, Tangos von Astor Piazzolla und eigene Kompositionen.

Mit der dreiteiligen "Compassion"-Suite sucht Kraayenhof hörbar die Fußstapfen seiner Idole; auch seine Musik setzt auf dynamische Kontraste und entfaltet eine starke emotionale Kraft. Die Grenzen zwischen Folklore und Kunstmusik mit großer Geste beiseite wischend, ließen die leidenschaftlich gespielten Tangos eigentlich nur einen Wunsch offen: dass man dazu auch hätte tanzen können.