Am 4. März kommt “Der Räuber“ ins Kino. Ein Film über eine Extrem-Existenz, einen Menschen, der nicht dazu gemacht ist, zu überleben.

Berlin. Zwei ungeschriebene Berlinale-Gesetze bewahrheiten sich auch in diesem Jahr: Die Premierenparty sagt nichts aus über die Qualität des Films. Der Applaus nach einer Vorführung auch nicht. Morgens sind die Kritiker oft schlicht zu müde zum Klatschen; auf den abendlichen Premieren freut man sich, dass man dabei sein darf, und lässt sich vom Jubel der Sitznachbarn bereitwillig anstecken. Und überhaupt: Die Langeweile auf der Leinwand ist jetzt schließlich überstanden.

Die jeweiligen Pressekonferenzen sind da schon aussagekräftiger - und Benjamin Heisenbergs Film "Der Räuber", der gestern seine Uraufführung als erster von drei deutschen Wettbewerbsbeiträgen erlebte, kam hier überaus gut weg. Der Jury um Präsident Werner Herzog wird das herzlich egal sein. Das Kinopublikum, das den Film ab 4. März sehen kann, wird es womöglich mehr interessieren.

"Der Räuber" geht auf das gleichnamige Buch von Martin Prinz zurück, das wiederum einen tatsächlichen österreichischen Kriminalfall verarbeitet. "Pumpgun-Ronnie" wurde der Mann genannt, der in den 80er-Jahren Marathon in Rekordzeiten lief und Banken in Serie überfiel; Johann Kastenberger heißt er ungleich nüchterner in Heisenbergs Film. "Der große Unbekannte", nennen ihn die Zeitungen und so inszeniert ihn auch der Regisseur. Wie er wurde, was er ist, bleibt unbeantwortet.

Kastenberger (Andreas Lust) interessiert sich nicht für Geld, er versteckt seine Beute in einer zerknüllten Plastiktüte unter seinem Bett. Er hat keinen Job und kein soziales Umfeld, sein Gesicht wirkt auch dann maskenhaft, wenn er seine Gummimaske nicht trägt. Die Koordinaten, in denen er denkt und lebt, heißen nicht Glück und Unglück, sondern Adrenalin und Pulsfrequenz. Sein Prinzip ist der Extremzustand. Verbrechen und der körperliche Grenzgang sind für ihn nicht nur Spiel, sondern vor allem Trieb. Seine Flucht vor der Polizei führt ihn immer weiter - an ein Innehalten, ein Ankommen ist zu keinem Zeitpunkt zu denken.

"Der Räuber" ist der zweite Langfilm des 35-jährigen Heisenberg, der 2005 mit seinem Verräterthriller "Schläfer" einen Kritikererfolg landete. Er filmt seinen Protagonisten wie ein Tier in der Falle, gefangen in seiner Umwelt und der eigenen Natur; die Dauerlauf-Szenen sind von packender Dichte. Er könnte leicht kalt und mechanisch wirken, dieser Film, ähnlich wie seine Hauptfigur. Doch Heisenberg schafft kleine Momente der Zwischenmenschlichkeit, in denen der Zuschauer erkennt: Dieser Mann ist dem Leben noch nicht ganz davongelaufen.

Was sagt dieser Film über unsere Zeit? Diese Frage müssen ja sämtliche Wettbewerbs-Filme auf der Berlinale bestehen - mehr noch als Filme, die regulär in den Kinos anlaufen. "Es ist ein Film über einen Menschen, der bis an die Grenze gehen muss, um sich zu spüren", sagt Heisenberg im Interview. "Und diese eigene Überforderung ist Teil unserer Gesellschaft." "Der Räuber" ist ein Film über eine Extrem-Existenz. Über einen Menschen, der nicht dazu gemacht ist, zu überleben.