Hamburg. Wie zwei zauberhafte Schmetterlinge, die sich in den kalten norddeutschen Winter nur verirrt haben, wirkten der Prinz der Kunqu-Oper Zhang Jun und seine Partnerin Zhang Ran am Sonntag in der Kleinen Laeiszhalle. Diese alte chinesische Opernform ist so künstlich, so stilisiert in Kostümen, Stimmen und Gebärden, dass man sich keinen größeren Kontrast zum funktionalen 50er-Jahre-Design des Saals denken kann.

Kunqu-Oper ist das Subtilste, was das Musiktheater des alten China zu bieten hat. Und doch liegt für westliche Betrachter das Fremde, das Faszinierende und das Lächerliche verwirrend eng beieinander. Mit ihrer extremen Mimik und den großen Kulleraugen erinnern Zhang und seine Kollegin an alte Stummfilmdarsteller. Allerdings kommt bei ihnen eine exaltierte Sprech- und Singweise im Mickymaus-Falsett hinzu, die jede Tonhöhenschwankung der chinesischen Sprachmelodie noch zigfach übertreibt. Jedes Wort wiederum wird von einer Geste begleitet, die bis in den kleinen Finger durchchoreografiert ist.

Alles ist so gekünstelt, dass es schon wieder eine höhere Wirklichkeit für sich beanspruchen darf. Anders als die kraftvoll-athletische Beijing-Oper ist Kunqu eine weiche, fast feminine Kunst. Sie lebt ganz von der Macht der feinen Regungen. Wenn der Held des "Päonien-Pavillons" das erste Mal ein Bild seiner Geliebten sieht, sagen ein einziger Schlag der Zimbel und die Mimik von Zhang Jun ebenso viel wie Taminos komplette "Bildnis-Arie". Und aus einem kräftigen, dissonanten Strich über die Saiten der Zither Guzheng weht uns der Schrecken vor einer unwirklichen Geistererscheinung an.

Alles Sinnliche ist in dieser Kunstwelt zugleich tief bedeutungsvoll: Hellblaue Gewänder zeigen die Traumwelt an, weiß ist der Tod, Grün und Pfirsichfarbe stehen für die Rückkehr ins Leben. Ein einziger, trockener Schlag der Trommel fährt Darstellern und Hörern in die Glieder wie ein Stromstoß. Und die quäkigen Töne der Mundorgel Sheng wie die weichen tiefen Register der Bambusflöte Dizi kann man förmlich in den Fingerspitzen fühlen.

So siegte am Ende die Magie der alten Kunst über das Befremden und den nüchternen Rahmen. Begeistert bedankte sich das Publikum nach gut zwei Stunden bei Zhang Jun und dem Ensemble. Der revanchierte sich artig mit einem Gedicht - und dann zogen Zhang und die Seinen los zur Neujahrsfete. Am14. Februar begann das chinesische Jahr des Tigers.