Hamburg. Konzertante Oper ist wie Trockenschwimmen. Da das für die Gattung konstitutive Element - das Szenische - fehlt, müssen die Stimmen der Sänger und das Klanggeschehen im Orchestergraben so sehr in den Bann schlagen, dass man die ungestillte Schaulust vergisst. Das ist schwer bei einer Revolutionsoper, die, will sie mitreißen, auf Unruhe, auf Tumult und Massenszenen schwer verzichten kann.

Insofern war die Premiere einer kleinen Serie von vier konzertanten Aufführungen von Umberto Giordanos Oper "Andrea Chénier" in der Staatsoper allenfalls eine teilerfolgreiche Übung; das Orchester spielte mit Verve, doch zur Verinnerlichung der Partitur mangelte es wohl an Probenzeit. Nach schmissig-quecksilbrigem Beginn häuften sich Intonationstrübungen zwischen den Streichern und Schwächen in der dynamischen Balance. Das Buhkonzert, mit dem Simone Young nach der Pause empfangen wurde, war allerdings ungerechtfertigt.

Johan Botha (Andrea Chénier) machte wieder einmal körperlich erfahrbar, dass das Hören nur bedingt mit den Ohren zu tun hat. Seine Stimme entwickelt einen derartigen Schalldruck, dass die Forte-Stellen einen am ganzen Leibe erbeben lassen. Das Timbre seines baritonal gefärbten Tenors ist wie dunkler, kristallisierter Honig: etwas körnig, aber von machtvoller Süße. Seine Leibesfülle nötigt ihn zu ganz besonders statuarischem Körpereinsatz, da kam ihm das strukturelle Rumstehen dieser Aufführungsform vermutlich sehr gelegen.

Norma Fantini (Maddalena) glänzte in ihrer roten Robe auch stimmlich, wiewohl sie zum Übersteuern neigt. Franz Grundheber eroberte sich im 73. Lebensjahr mit dem Gérard noch ein Rollendebüt und meisterte die Rolle staunenswert bravourös. Schade, dass er viel aus dem Klavierauszug sang; kaum bewegte er sich frei, öffnete der alte Bühnentiger Imaginationsräume weit übers Konzertante hinaus.