Die Berliner Produktion gastiert bald in Hamburg. Hannelore Hoger und Peter Sattmann spielen geistreich und witzig ein altes Liebespaar.

Hamburg. Was ist ein gelungener Theaterabend? Künstlerisch lässt sich das durchaus unterschiedlich beantworten. Das Wichtigste für die Zuschauer ist wohl, dass man sich nach der Vorstellung über das Gesehene oder das, was das Gesehene ausgelöst hat, unterhalten möchte.

Ein solcher Theaterabend ist "Love Letters" garantiert. Die Geschichte nämlich, nach der sich ein Mann und eine Frau, die sich seit der zweiten Klasse in der Schule kennen, 50 Jahre lang Briefe schreiben, in denen sie sich vieles gestehen und einiges vormachen, bewirkt mit Sicherheit, dass man nach diesen witzigen, ehrlichen, geistreichen, beschönigenden, verlogenen, traurigen, verzweifelten, auftrumpfenden (Liebes-)Briefen über sein eigenes Leben, seine Beziehungen im Glück und Unglück nachdenkt. Und dass man damit auch jede Menge Gesprächsstoff hat.

Hannelore Hoger und Peter Sattmann spielen dieses Paar, Melissa und Andy, das eigentlich zusammengehört aber selten zusammenfindet - noch in Berlin, schon bald auch in Hamburg. Immer gibt es einen Grund, einen Zwischenfall oder eine Affäre, die gerade mal wieder verhindert, dass die beiden ihre Amour fou auch leben können. Aber wahrscheinlich würde das sowieso nicht gut gehen.

Hannelore Hoger spielt Melissa, eine Künstlerin aus reichem, aber kaputtem Elternhaus, mit Schmackes, als vitale, suchende, spontane Frau, die exzessiv leben und auf keinen Fall so werden will wie ihre stets alkoholisierte Mutter. Und die es trotzdem wird. Sattmanns Andy ist dagegen eher ein Mann, der seinen geraden Weg geht, der Karriere macht und unter allen Umständen die Fassade aufrechterhält und der nur ganz gelegentlich an seinem Leben zweifelt. Zwei, nicht gerade wie Feuer und Wasser, aber doch so unterschiedlich, dass sie einander oft genug verletzen. Aber auch zwei, die einander brauchen, nicht, um sich festzuhalten, aber doch, um Halt zu suchen und sich zu vergewissern. Hörst du mich? Weißt du eigentlich? Könntest du nicht? Darf ich dir mal was verraten? So erleben sie durch sprachliche Erfindungskunst das Erwachsenwerden, Ehe, Trennungen, das Älterwerden.

"Wir sind", sagt Hannelore Hoger "ein Paar, das durch äußere Umstände daran gehindert wird, zusammenzukommen. Die beiden haben den richtigen Zeitpunkt verpasst, um auch körperlich Kontakt zu haben. So konnte sich da nichts entwickeln." Melissa und Andrew kennen sich seit 1937, aus der Grundschule. Der erste Brief ist eine Geburtstagseinladung von ihr an ihn. Danach bedankt er sich schriftlich. Und fortan reißt der Kontakt zwischen ihnen fast nie mehr ab.

Die Erfahrung hat wahrscheinlich jeder schon einmal gemacht: Wenn man sich schreibt, gibt man oft mehr von sich preis. Natürlich beschönigt man dann auch manches, verschweigt vieles, aber man zeigt sich auch offener Gefühlen und Geheimnissen gegenüber. So läuft es auch zwischen Melissa und Andy, die jeweils auf verschiedene Schulen und an verschiedene Universitäten kommen, Andy muss auch noch in den Krieg. So lebt jeder sein Leben, fern vom anderen und doch vertraut mit den Konflikten und Träumen des Briefpartners. "Die beiden segeln immer haarscharf aneinander vorbei. Das ist auch ein bisschen tragisch", sagt Hannelore Hoger. Es kommen immer mehrere Dinge zusammen, warum man den anderen braucht, will oder zurückweist. Genau das kann jeder im Zuschauerraum nachvollziehen. Zwischen Andy und Melissa bleibt immer eine Sehnsucht."

Andy und Melissa finden andere Lebenspartner, "zwischen den beiden ist es nichts geworden", sagt Hoger. "Was heißt, nichts geworden?", fragt Peter Sattmann, "die beiden haben miteinander vielleicht eine Nacht verbracht, wie sie sie mit niemand anderem im Leben hatten. Das ist doch etwas ganz außergewöhnliches." Jetzt greift auch Regisseur Alfred Kirchner ein: "Ich finde das viel zu moralisch: Was wäre denn gewesen, wenn die beiden richtig zusammengekommen wären? Lahmer Sex nach ein paar Jahren!" Und Hannelore Hoger ruft dazwischen: "Aber Alfred, du bist doch auch schon ein paar Jahre verheiratet!" "Ja, ja", lenkt er ab, "das Tolle an dem Stück ist ja, was die beiden an Zwischentönen erfinden, wie sie sich bekämpfen, brauchen, verletzen." - "Ich weiß immer genau, wann eine Beziehung schwierig wird, dann, wenn die ersten Verletzungen einsetzen", weiß Sattmann. Hannelore Hoger glaubt: "Tot ist eine Beziehung nur, wenn sie langweilig ist."

Hannelore Hoger findet "gut, dass jeder für sich etwas aus der Beziehung herausziehen kann" und "dass man als Zuschauer noch mal alles vorbeiziehen lassen kann, was man so vergurkt hat. Liebe ist ja etwas, das nicht so oft im Leben passiert, aber wenn man sich mal geliebt hat, dann bleibt auch etwas davon." Ihre Melissa ist lebenslustig, unkonventionell, Sattmanns Andy eher angepasst, ironisch. Die zwei ergänzen sich herrlich. Was in den Briefen an explosivem Stoff vorgesehen ist, zischt und knallt gelegentlich zwischen den beiden auf der Bühne. Ein aufregender, sehr anregender Abend, für den man sich frühzeitig Karten sichern sollte.

Love Letters gastiert am St.-Pauli-Theater am 20., 21. und 23., 24. Februar, jew. 20 Uhr, Karten 15,70 bis 41 Euro, T. 47.11 06 66