Neuer Stoff für die Larsson-Süchtigen: Mit “Verdammnis“ ist Teil zwei der Trilogie am Start

Kein Kindergeburtstag, kein Sonntagsspaziergang. Was Stieg Larsson seinen Lesern in seiner schonungslosen, teils äußerst drastisch erzählten "Millennium"-Trilogie zumutet, braucht feste Nerven. Vor allem Gewalt gegen Frauen wird von ihm immer wieder in den Fokus gestellt. Nicht voyeuristisch, sondern voller Hass gegen die Täter und gegen ein gesellschaftliches und politisches System, das diese Täter erst ermöglicht, indem es sie schützt und deckt. "Verblendung", "Verdammnis" und "Vergebung", allesamt postum erschienen, nachdem der schwedische Journalist Stieg Larsson 2004 im Alter von 50 Jahren an einem Herzinfarkt starb, sind keine vordergründig feministischen Romane. Aber sie kennen den weiblichen Blickwinkel doch verblüffend gut, sie beziehen Position und beweisen Haltung, auch indem sie konsequent darauf verzichten, Frauen als wehrlose Opfer zu porträtieren. Und sie sind darüber hinaus fabelhaft spannend geschriebene Thriller, wohl jeder Larsson-Süchtige kennt die fiebrig durchlesenen Nächte - kein Wunder, dass die dicken Schmöker es nun nach und nach alle auch auf die große Leinwand schaffen. Nachdem "Verblendung" erst im Herbst auf dem Hamburger Filmfest Deutschland-Premiere gefeiert hatte, kommt jetzt der zweite Teil, "Verdammnis", ins Kino.

Schon beim Auftaktfilm fiel die starke Besetzung der beiden Hauptfiguren auf: Michael Nyqvist ist der eigenwillige Stockholmer Investigativreporter Mikael Blomquist, Noomi Rapace erhielt für ihre Darstellung der in jeder Hinsicht unkonventionellen Lisbeth Salander eine Nominierung für den Europäischen Filmpreis als Beste Darstellerin. Inhaltlich ist "Verdammnis" dagegen eher ein Übergang, ist nötige Vorgeschichte zum noch furioseren Finale "Vergebung", der ebenfalls bereits abgedreht ist und im Sommer anläuft.

Während "Verblendung" eine grausame Familiengeschichte erzählte, geht es diesmal in die Untiefen des organisierten Mädchenhandels, in den auch Bjurman verstrickt zu sein scheint, der widerliche ehemalige Vormund der so unerbittlichen wie weiträumig gepiercten und tätowierten Lisbeth Salander. Als er und ein junger Kollege von Mikael Blomqvist, der zum Thema recherchiert hatte, tot aufgefunden werden, gerät Salander unter Verdacht. Sie taucht unter und ermittelt auf eigene Faust, auch Mikael versucht ihre Unschuld zu beweisen und stößt dabei auf bestialische Details aus Lisbeths Vergangenheit. Das Ende, der Cliffhanger zum dritten und - wenn sich Stieg Larssons Lebensgefährtin, die ein viertes Manuskript von ihm besitzen soll, nicht noch anders entscheidet - letzten Teil, ist allerdings ebenso unglaubwürdig wie im Buch, ist in der Verklärung des Racheengels Salander einfach ein wenig too much. Trotzdem vermag auch diese Tour de Force den Zuschauer zu packen, überzeugt auch diesmal das angenehm unprominente und glänzend besetzte Ensemble.

Wer allerdings die "Millennium"-Trilogie noch nicht gelesen hat, der sollte lieber zuerst zu den Büchern greifen. Sie sind komplexer, auf niemals billige Art expliziter und atemlos auch in jenen Nebensträngen, die aus verständlichen Zeitgründen aus dem Drehbuch gestrichen werden mussten: So erzählt die "Millennium"-Trilogie auch die Geschichte eines mittlerweile fast altmodisch anmutenden, aufrechten Journalismus, was in den Filmen leider ebenso untergeht wie die verworrene Bettbeziehung zwischen Blomkqvist und seiner Chefredakteurin. Man sollte sich also, bevor man die durchaus stimmig übersetzte Kinofassung anschaut, ein paar Tage zu Hause einschließen und freiwillig auf den Sonntagsspaziergang verzichten. Auch wenn die drei Bände insgesamt mehr als 2300 Seiten haben - viel länger als ein langes Wochenende braucht man nicht, versprochen.

++++- Verdammnis Schweden 2009, 129 Min., ab 16 J., R: Daniel Alfredson, D: Noomi Rapace, Michael Nyqvist, Lena Endre, Peter Andersson, Michalis Koutsogiannakis, täglich im Abaton, Cinemaxx, Cinemaxx Harburg, UCIs Mundsburg, Othmarschen, Smart-City, Zeise; Internet: www.verdammnis-derfilm.de