Leanne Shapton erzählt die Geschichte einer Trennung anhand von Objekten eines Auktionskatalogs. Ein Roman, wie es ihn so noch nicht gab.

Hamburg. "Pro: Lustig, guter Sex, andere Welt, Reisen, Kunst / Contra: Depressiv - Alkohol? Promifixiert, Mundgeruch, immer unterwegs, Essen ist ihm gleichgültig, zurückgezogen." Eine Notiz von Lenore Doolan, die damit spontan ihren Lebensgefährten Harold Morris charakterisierte, geschrieben auf gelbem Kanzleipapier, vielleicht im Wartezimmer. Das Blatt, 36 x 22 Zentimeter, hat sie fünffach gefaltet. Es steht zum Verkauf unter Artikelnummer 1105, zehn bis 15 Dollar soll es bringen.

Mehr als jede dritte Ehe endet in einer Scheidung, noch mehr Beziehungen werden abgebrochen. Was bleibt von den millionenfachen Geschichten zweier Menschen, die einmal füreinander Zuneigung empfanden? Die Kanadierin Leanne Shapton (36), Illustratorin in New York, hat das untersucht - und damit das Genre des Liebesromans um einen fiktiven Auktionskatalog erweitert. "Bedeutende Objekte und persönliche Besitzstücke aus der Sammlung von Lenore Doolan und Harold Morris, darunter Bücher, Mode und Schmuck" ist der Titel ihres jüngst erschienenen Romans. Um Schmerz, Wut und Trauer geht es darin nicht, aber um Krawatten, Kosmetik- und Haushaltsartikel, Sonnenbrillen, gepresste Blumen und Bücher mit Widmung. Ein originelles, sachliches und zu Tränen rührendes Museum materieller Überbleibsel einer gescheiterten Liebesgeschichte.

Auf die Idee zu ihrem Buch kam sie, als sie 2006 auf einer Auktion war, auf der private Dinge des Schriftstellers Truman Capote versteigert wurden: drei Regenmäntel, sein Schal, ein fleckiger Pullover. Sie habe deutlich ein voyeuristisches Verlangen gespürt, hat sie hinterher zugegeben. Und sie verließ den Ort mit einer Idee: Leben und Lieben erzählen anhand von Objekten, versammelt in einem Katalog. Auktionen werden meist angesetzt bei Nachlässen Verstorbener. Aber auch eine Liebe stirbt und hat dann einen Nachlass. Wie die Liebe von Lenore Doolan, der Journalistin, und Harold Morris, dem Fotografen.

Beide lernen sich auf einer Party kennen, davon bleibt eine Serviette zurück, auf die sie ihre E-Mail-Adresse schrieb. Sie sind im Urlaub in Venedig, zwei Reiseführer bezeugen das. Sie schenken sich kleine kitschige Dinge, etwa eine Teekanne in Hundeform oder einen Schlüsselanhänger von Tiffany, essen im Restaurant, die Rechnung dazu liegt vor, ziehen zusammen und streiten sich, wovon Notizen erzählen. Die versammelten Dinge stellen die Chronologie einer Liebesbeziehung dar, die nicht glücklich endet. In einer Tasse mit freundlich lachendem Gesichtsaufdruck hat er die Karten so gestapelt, dass sie hintereinander gelesen den Satz "Willkommen zurück Hal!" ergeben. Vergeblich.

Auf mehr als 100 Seiten hat das erdachte Auktionshaus 331 Objekte des Liebespaars gelistet. Von Sommerschuhen über Salz- und Pfefferstreuer und teure Geschenke bis zu Briefen, Postkarten und ausgedruckten E-Mails. Nur Dinge, aber jedes Ding erzählt etwas. Wo ist der Schnappschuss entstanden? Wurde das Handtuch aus einem Badehaus in Istanbul als Andenken mitgenommen? Warum sind einige Haushaltsgegenstände zerschlagen, tragen andere Objekte deutliche "Gebrauchsspuren und Kratzer"? Warum nahm Harold immer den schweren "Reisewecker von Elgin" in der "Originalverpackung" mit auf Reisen? Und weshalb befanden sich in seinem Necessaire neben drei Zahnbürsten und Krimskrams auch drei Kondome und jede Menge Schlaftabletten?

Lenore und Harold sind erfunden, doch typische Zeitgenossen. Was herkömmliche Liebesromane nicht leisten können, schafft dieser Nachlass. Der Leser denkt sich die Umstände hinzu: Dialoge des Paars, Wetter, Orte, Tages- und Nachtzeiten des Zusammenseins. Was beide empfunden haben, als sie sich - vielleicht gegenseitig? - Schlammpackungen ins Gesicht schmierten, um sich dann in inniger Umarmung mit Selbstauslöser zu fotografieren. Was sie geredet haben, wie sie sich an den Händen fassten, ihre Köpfe zuneigten, welche Gedanken dabei waren.

Ihre Liebe hat die Gegenstände mit Bedeutung aufgeladen, das erkennt der Betrachter an den Bildern des Auktionskatalogs, der als Roman daherkommt.

Brad Pitts Produktionsfirma Plan B soll bereits die Verfilmungsrechte gekauft haben, der Schauspieler will offenbar selbst die männliche Hauptrolle übernehmen.

Leanne Shapton: "Bedeutende Objekte ...", Deutsch von Rebecca Casati, Berlin Verlag, 144 Seiten, 19,90 Euro.