Hamburg. Villenviertel und Gewerbegebiete, sozialer Wohnungsbau und dörflich anmutende Strukturen, und mitten hindurch schneiden eine Bundesstraße und eine Bahntrasse: Wenige Hamburger Stadtteile wirken so uneinheitlich wie Rahlstedt. Und nicht nur das. "Es ist eine kulturelle Wüste", sagt Tobias Gohlis. Um der baulichen und sozialen Zerrissenheit etwas entgegenzusetzen und die Identifikation mit dem Stadtteil zu stärken, hat der 59-Jährige im vergangenen September mit gleichgesinnten Rahlstedtern das "Kulturwerk Rahlstedt" gegründet.

Der Verein wendet sich an "alle Leute, die sich für Kultur interessieren könnten", sagt Gohlis. "Wir machen einfach die Veranstaltungen, die uns selbst interessieren. Und natürlich freuen wir uns über Zulauf." Um Programmideen sind die Beteiligten nicht verlegen. So haben sie die "Werksgespräche" ins Leben gerufen, die in loser Folge in der Bücherhalle Rahlstedt stattfinden und an denen die Mitglieder mitunter selbst mitwirken Von Gohlis stammt die Idee zu der Reihe "Hamburger Autoren lesen in Rahlstedt"; schließlich ist er selbst im Hauptberuf Literaturkritiker mit Schwerpunkt Kriminalromane.

Auf ein spezifisches künstlerisches Profil kommt es Gohlis nicht an: "Wir haben schon einmal eine Lesung mit erotischer Literatur auf Perserteppichen gehabt. Man könnte auch ein Wandelkonzert veranstalten. Oder Ausstellungen in Rahlstedter Schaufenstern. Nur trivial oder langweilig soll es nicht sein."

Bislang tragen sich die Veranstaltungen selbst. Rund 40 zahlende Mitglieder hat das Kulturwerk schon, und es werden ständig mehr. In der kurzen Zeit seines Bestehens hat es immerhin 10 000 Euro Förderung von der Initiative "Anstiften!" erhalten, die die Körber-Stiftung angeregt hat.

Finanzsorgen hat der Verein also nicht - solange keine Immobilie ins Spiel kommt. Langfristiger Wunsch? Ein eigenes Kulturzentrum. "Das Schönste wäre, wenn wir den alten Rahlstedter Bahnhof zum Kulturbahnhof umwandeln könnten", sagt Gohlis. Das Gebäude stammt von 1865 und ist der einzige historische Bau überhaupt im Zentrum von Rahlstedt. Die Deutsche Bahn will das seit Jahren leer stehende Gebäude verkaufen, und ein Investor würde es vermutlich abreißen. Doch Gohlis lässt sich nicht entmutigen: "Wenn der Bahnhof verkauft wird, vergehen doch noch mal Jahre bis zum Abriss. Wir würden ihn gerne wenigstens zwischennutzen."

Sein Eröffnungsfest hat der Verein immerhin dort geben dürfen, und vom 23. bis 25. April möchte er dort auch das Festival "Rahlstedt Main Station - bitte einsteigen" veranstalten. Das Programm steht zwar noch nicht. Aber Einfälle hat das Kulturwerk ja genug.

Nächste Veranstaltung: Werksgespräch "Musik sehen - Bilder hören". Do, 4.2., 19.30 Uhr, Bücherhalle Rahlstedt, Eintritt 5,-. Am Do 25.2. liest Michael Jürgs aus "Seichtgebiete" auf Einladung des Kulturwerks in der Buchhandlung Heymann. Infos im Internet unter www.kulturwerk-rahlstedt.de