Mit “Soldier Of Love“ veröffentlicht Sade ihr erstes Album seit zehn Jahren - und entdeckt die Verlockungen des Rhythm and Blues.

Hamburg. Da ist sie wieder, diese Stimme. Samtig tief und kehlig singt sie von den Scharmützeln der Geschlechter. "I've lost the use of my heart, but I'm still alive." Im Musikvideo zu ihrer neuen Single "Soldier of Love" dirigiert Sade Adu in männlicher Kampfmontur eine Kriegerschar in einem waffenlosen Wüsten-Stellungskrieg - aber noch immer baumelt an der Sängerin der kreolische Ohrschmuck, das Glitzertop ist entwaffnend tief dekolletiert, die Lippen leuchten rot.

Melodien von eleganter Schwermut durchkreuzen die martialische Szene. Takte später wird Sade im Glitzersuit zur Lasso schwingenden Amazone. Doch da ertönt ein ungewohntes synkopisches Trommeln. Sade, die Ritterin des soften Barjazz, die man sich kaum anders als auf einem Barhocker hingegossen und von unglücklicher Liebe singend vorstellen konnte, erliegt den Verlockungen des zeitgenössischen Rhythm and Blues.

Und der steht ihr gut. Die vertrauten simplen Grooves kreuzt sie mit ein paar Gitarrenriffs und einer Prise Marching-Band-Percussion. Über den Beats in "Moon And The Stars" kippt Adu gleich ein ganzes Füllhorn an Pathos aus. Uptempo-Nummern wie das drängende "Bring Me Home" auf "Soldier Of Love" haben das Zeug zum Klassiker von morgen. Den Rest regieren softe Dub-Balladen ("Babyfather") und Träumereien über die Mühsal des Lebens ("Long Hard Road"). Bleibt also alles anders? "Ich bin keine Interpretin mit einem großen technischen Spektrum", lässt Sade verlautbaren. "Ich möchte eine Geschichte erzählen, die noch nicht existiert." Und dabei will die Britin, die mit ihrem sinnlichen Film-Noir-Jazz gut 50 Millionen Alben absetzte, lediglich einen Halbton von erfolgreich ausgetretenen Pfaden abweichen.

"Soldier Of Love" erscheint am 5. Februar und ist Sades erstes Album nach zehn Jahren, in denen die Sängerin komplett aus dem Popzirkus abgetaucht war. Für den Vorgänger "Lovers Rock" (2000) hatte sie acht Jahre gebraucht. Damals verbannte sie das Saxofon aus ihren Songs. Angeblich nachdem sie "Your Love Is King" aus einem Sexshop heraus gehört hatte. Stattdessen entdeckte sie die Drangsal von Immigration und Arbeitslosigkeit als Thema. Die musikalisch missverstandene Sissi der Bars wollte sie nicht mehr sein. Mit "Lovers Rock", das sich über 5,5 Millionen Mal verkaufte, sang sie sich sofort wieder in die erste Reihe.

Es war 1984, als Helen Folasade Adu, Tochter einer britischen Krankenschwester und eines nigerianischen Wirtschaftsprofessors, mit den Wegbegleitern Stuart Matthewman (Gitarre, Saxofon), Paul Denman (Bass) und Andrew Hale (Keyboard) ihr Bandprojekt Sade aus der Taufe hob. Damals war Synthie-Pop im Kommen, toupierte Frisuren, Blousons und Leggins dominierten die Hitparaden. In diese Ära der Stillosigkeit hinein sang Sade Adu ihren distanziert eleganten, niemals frivolen Cooljazz mit einer Prise Latin-Pop und überholte alle. Als die Jazz-Welle abebbte, überbrückte sie eine Karrieredelle in den 90er-Jahren mit Privatleben und bekam eine Tochter. Die größte Nachricht jener Jahre war, dass sie mit einem Verkehrspolizisten auf Jamaika aneinandergeriet ...

Diesmal flammte der Kontakt der Bandmitglieder aus dem Nichts heraus wieder auf. Man versammelte sich 2008 in Peter Gabriels Real World Studios im Südwesten Englands und begann einfach mit der Arbeit. Kaum ein Star verweigert sich so konsequent den Bedürfnissen des Medienzirkus wie Sade. Der Sucht der Plattenfirmen nach Alben im Zweijahresrhythmus. Und jener der Boulevardpresse nach offenherzigen Interviews. Noch immer umgibt die Sängerin, die am 16. Januar ihren 51. Geburtstag beging, die Aura eines Geheimnisses. Von ihrer ersten Ehe in den 80er-Jahren mit einem spanischen Filmregisseur erfuhr man erst Jahre später.

Wer aktuell das Leben der Schönen und ihrer Tochter - Vater ist der Produzent Bob Morgan - im Westen Englands teilt, ist nicht bekannt. Jedoch dürfte die Sade-Hysterie wieder aufbranden. Das Comeback wurde in ihrer Heimat sogleich zum Anlass genommen, ihr Debüt "Diamond Life" von1984 für den Lifetime Award bei den Brit Awards zu nominieren. Auf eines versteht sich Sade eben bestens: Sie kommt leise, aber gewaltig.

Sade: Soldier Of Love erscheint am 5. Februar, Sony/BMG; www.sadeadu.com