Bon Iver, Fleet Foxes oder First Aid Kit heißen die jungen Bands. Und mit Buffy Sainte-Marie kommt heute auch eine Folk-Ikone in die Fabrik.

Hamburg. Als das schwedische Folk-Duo First Aid Kit im vergangenen November im Molotow spielte, hatte es einen Song im Repertoire, der zu den Klassikern des Genres gehört: "Universal Soldier" von Buffy Sainte-Marie. Mitte der 60er-Jahre hatte die Kanadierin den Anti-Kriegssong gesungen - und nun forderte First Aid Kit die Fans auf, doch mal Buffy Sainte-Marie zu googlen, weil sie wichtig für die Folkbewegung der 60er-Jahre war. Hamburger Musikenthusiasten können die 1941 geborene Künstlerin heute sogar live in der Fabrik erleben, aber das konnten First Aid Kit vor ein paar Monaten natürlich nicht wissen.

Folkmusik hat viele Jahre nur ein Nischendasein in der internationalen Pop-Szene geführt. Lagerfeuerromantik mit klampfenden Jammerlappen galt nicht gerade als Ausdruck von Hipness. Seit Ende der 90er-Jahre war vor allem Rockmusik angesagt. Bands wie die US-amerikanischen Strokes, Mando Diao aus Schweden und all die jungen britischen Bands von Franz Ferdinand bis zu den Arctic Monkeys waren die Lieblinge der 20- bis 30-Jährigen. Doch seit eineinhalb Jahren sind Folkies plötzlich wieder en vogue. Akustische Musik, oft mit politischen Texten, erfreut sich zunehmender Beliebtheit und wird als Trend auch das kommende Jahr wesentlich mitbestimmen. Zum Hype wurde Folk im Sommer 2008, als die Debütalben von Fleet Foxes und von Bon Iver erschienen und die britische Musikpresse sich angesichts dieser ungewohnten Töne vor Begeisterung Rad schlug.

Ein paar bärtige junge Zausel aus der ehemaligen Grunge-Hochburg Seattle hatten sich auf 60er-Jahre-Musik von Simon & Garfunkel, Joni Mitchell, Bob Dylan und Fairport Convention besonnen. Sie schrieben harmonische Gesangsmelodien, die Texte drehten sich um Natur, den Lauf der Jahreszeiten, Liebe und einträchtige Gemeinschaft. Schlagwörter, die auch für die Hippie-Bewegung vor 40 Jahren bedeutend waren. Die Entstehungsgeschichte von Bon Ivers Album "For Emma, Forever Ago" liest sich noch bizarrer. Justin Vernon, der Sänger, der sich hinter Bon Iver verbirgt, nimmt den Slogan "Zurück zur Natur" wörtlich und zieht sich im Winter monatelang in eine abgelegene Waldhütte in Wisconsin zurück. Wie ein Eremit lebt er dort und produziert sein Album.

Während das britische Publikum diese schrägen Musiker schnell in ihr Herz schloss, setzte dieser Trend hierzulande etwas zeitverzögert ein. Die Fleet Foxes spielten im Juni 2008 gerade mal vor 50 Zuhörern im Knust, ein paar Monate später bei Bon Ivers Auftritt beim Reeperbahn-Festival platzte der Klub schon aus allen Nähten.

Seither sind jeden Monat neue Bands auf der Bildfläche aufgetaucht, die in den Blogs und den einschlägigen Medien zuerst als Geheimtipps gehandelt wurden, aber sehr schnell so bekannt waren, dass sie bei ihren ersten Tourneen vor ausverkauften Klubs spielten. Julia und Angus Stone, The Low Anthem und Mumford & Sons sind nur drei Beispiele für die neuerliche Hinwendung zum Folk.

Aber auch Legenden der Folkmusik profitieren von dieser Wiederentdeckung des Genres. Buffy Sainte-Marie ist dafür ein Beispiel. 17 Jahre lang hat die kanadische Sängerin mit den indianischen Wurzeln kein Album mehr veröffentlicht, bis im vergangenen Jahr "Running For The Drum" erschienen ist. Hamburger Folk-Fans können sich heute Abend davon überzeugen, dass Buffy immer noch eine Menge zu sagen hat. Auch wenn ihr aktuelles Album eine Reihe von Mainstream-Popsongs enthält, ist der Kanadierin ihre nachdenkliche politische Haltung nicht abhanden gekommen. Songs wie "Working For The Government" , "Too Much Is Never Enough" und "No No Keshagesh" setzen sich mit Themen wie Krieg und Geldgier kritisch auseinander.

Buffy Sainte-Marie steht für die Generation der Folkies, die nur eine akustische Gitarre benötigten, um ihre Botschaften unter die Leute zu bringen. Ein anderes aktuelles Beispiel für die Hinwendung zum Folk ist die texanische Band Midlake. Sie hat vergangenen Freitag das Album "Courage Of Others" veröffentlicht. Midlake lassen sich dabei von britischer Folkmusik der späten 60er-Jahre inspirieren, von Bands wie Fairport Convention, Steeleye Span oder der Incredible String Band. Ihre Songs sind aufwendig produziert, sie integrieren Flöten, Celli, Fagotte und ein Cembalo in ihre Kompositionen. Der Harmoniegesang ist mehrstimmig, lyrisch beschäftigt sich Sänger Tim Smith vor allem mit Naturbetrachtungen. Auch Midlake ist live in Hamburg zu erleben: Am Donnerstag spielt das Quintett im Knust.

Wandergitarren und andere rockferne akustische Instrumente sind plötzlich wieder in. Es scheint in diesen digitalen Zeiten eine neue Sehnsucht nach Wärme und Schlichtheit unter vielen jungen Leuten zu geben: die Suche nach Klarheit in einer unübersichtlichen Welt. Deshalb interessieren sie sich für die frühen akustischen Alben von Bob Dylan, deshalb war Bon Ivers Konzert in der Großen Freiheit 36 im vergangenen Jahr ausverkauft, deshalb gelten Mumford & Sons als der heißeste Tipp für 2010. Wie innig die Beziehung zwischen Künstlern und Zuschauern ist, verdeutlichte das Konzert von First Aid Kit im vergangenen Herbst. Die Zugabe sangen die beiden Schwedinnen inmitten des Publikums ohne Mikrofon. Fehlte nur noch ein Lagerfeuer.

Buffy Sainte-Marie heute, 21.00, Fabrik (Barnerstraße 36), Karten 24 Euro

Midlake Do 4.2., 21.00, Knust (Neuer Kamp 32), Karten 15 Euro

Die Alben "The Big Black And The Blue" von First Aid Kit und "Courage Of Others" von Midlake sind dieser Tage erschienen.