Zwei Schrittmacher der britischen Popszene der 90er kamen solo nach Hamburg - aber nur einer konnte wirklich überzeugen.

Hamburg. Sie gehörten in den späten 80er- und den 90er-Jahren zu den herausragenden Sängern der britischen Pop-Szene. Ian Brown (Jahrgang 1963) wurde mit der Manchester-Rave-Band The Stone Roses berühmt, Brett Anderson (Jahrgang 1967) mit den BritPoppern von Suede. Brown ist seit 1998 unter eigenem Namen unterwegs, Anderson löste Suede im Jahr 2003 auf. In dieser Woche gastierten beide im Abstand von wenigen Tagen mit ihren Bands im Knust. Eine gute Gelegenheit, diese Heroen der britischen Popmusik zu vergleichen, zumal beide Ende vergangenen Jahres neue Alben veröffentlicht haben.

"Slow Attack" heißt das Werk von Brett Anderson. Es enthält elf akustische Songs, mit Flöten, Celli, Oboen, Klarinetten instrumentiert - nicht gerade typisches Rock-Instrumentarium. "Wenigstens steht ein Schlagzeug auf der Bühne", sagte am Dienstag im Knust ein Fan, dem der Sinn wohl nicht nach kammermusikalischem Pop stand. Von den folgenden 90 Minuten wird er angetan gewesen sein, denn Anderson und seine vierköpfige Band rockten das Haus. Neue Songs wie "The Hunted", "The Swans" und "Frozen Roads" befreite Anderson von ihren fragilen Arrangements und steckte sie in einen knüppelharten Panzer. In seinen Gesang legte er jenes Pathos, für das ihn seine Fans seit Suede-Zeiten lieben, heraus kamen 1,5 Stunden mit erstklassigem Glam-Rock in bester David-Bowie-Tradition. Die Fans waren begeistert.

Bei Ian Brown wenige Tage zuvor musste man nicht befürchten, dass es ein intimer Abend werden könnte. Der kleine Sänger mit der großen Sonnenbrille tänzelte hinter seinem Mikroständer wie ein Boxer, ab und zu schlug er sein Tamburin, aber in welchem Takt? Brown war völlig von der Rolle. Das ausgiebige Inhalieren von Cannabisprodukten soll ein Grund für die Indisponiertheit des Manchester-Rüpels gewesen sein. Schlechtes Benehmen legte Brown nicht an den Tag. Im Gegenteil. Er schüttelte Hände der treuen Fans vor der Bühne, winkte zur Galerie hoch, warf Küsse in den Saal. Nur mit dem Singen klappte es nicht. Ian Brown traf nicht einen Ton, nuschelte sich durch die Texte und verhunzte Hits wie "Time Is My Everything". Die Fans waren geschockt.

Dabei hätte auch Browns Konzert ein nostalgisch-schöner Abend werden können. Seine Band hatte den tanzbaren Manchester-Rave-Groove perfekt drauf, aber mit diesem Sänger war sie chancenlos. Da bot Brett Anderson sehr viel mehr. Er kann singen und Gefühle transportieren. Kann man ein Liebesleid schöner formulieren als in "Chinese Whispers": "I don't need you, but I want you/I don't want you but I need you"? Im Fußballerjargon gelingt Anderson ein Kantersieg, ein haushoher Sieg, gegen Brown. Damit ist er gut bedient.